Yangon/Rangun

Wie viele Touristen beginnen wir unsere Tour in Rangun, das offiziell Yangon heißt oder auf englisch auch Rangoon. Yangon war bis 2005 Hauptstadt Myanmars und ist mit ihren fast drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner die größte Stadt des Landes. Und für alle, die nicht gerade asienerprobt sind, kann der erste Spaziergang schon mal ein kleiner Kulturschock sein: Es ist laut, wuselig, stickig und voll. Wobei ich mir habe sagen lassen, dass es in anderen asiatischen Großstädten noch chaotischer vorgeht.

Irgendwann am frühen Nachmittag des 12. Novembers 2017 spuckt uns das Flugzeug aus Bankok am International Airport in Yangon aus. Nach einer kurzen Fahrt in die Stadt, einer Dusche und einigen Stunden Schlaf hält uns vorerst nichts in unserem Hotel.

Zu Fuß laufen wir zunächst in Richtung Süden, wo das Zentrum liegt. Dabei kämpfen wir uns durch den stinkenden und lärmenden Verkehr. Zebrastreifen scheinen reine Dekoration zu sein, Ampeln lediglich ein Vorschlag, den die meisten ignorieren. In den Nebenstraßen gibt es keine Gehwege – hier laufen alle einfach auf der Straße. Insgesamt ist der Verkehr weit davon entfernt, irgendwelchen Regeln zu folgen. Doch das kennen wir aus Marokko: Wir folgen dem Vorbild der Einheimischen und erfahrener Touristen und gehen einfach immer dann über die Straße, wenn sich gerade eine Lücke bildet. Je schneller, desto besser.

 

An den Straßenrändern sehen wir Läden, Teestuben, Garküchen, Marktstände. Davor kleine Plastikstühle, vielleicht 20cm hoch, auf denen die Einheimischen sitzen, um zu essen und zu trinken. Lauthals preisen Händler ihre Waren an. Die Einwohner der Häuser lassen Geld an langen Schnüren aus dem Fenster herab und befördern die gekauften Wahren dann auf dem gleichen Weg hinauf. Oder die Post. Auffällig ist auch, wie wenig westliche Firmen hier vertreten sind. Wo an europäischen oder amerikanischen Reisezielen die immer gleichen Marken, Shops und Läden Orientierungspunkte für den Neuankömmling bieten, fehlen BMW, McDonalds und Apple hier ganz im Stadtbild und auf den Werbeplakaten.

Betel, Müll und Schlaglöcher
Der Boden ist an vielen Stellen rötlich verfärbt. Denn verbreiteter noch als der Konsum von Alkohol und Zigarren ist in Myanmar der Konsum der Betel-Nuss. Eine Droge, die stundenlang gekaut, gelutscht, im Mund aufbewahrt und anschließend ausgespuckt wird. Egal, wo man gerade ist.

Generell liegt viel Müll herum. Überall. Lebensmittelreste. Steine. Holz. Sperrmüll. Vor allem Plastik. Auf den Straßen, in den Flüssen und Bächen, auf den Wiesen. Und fast alles in der Stadt ist kaputt: Die Straßen haben Schlaglöcher, auf den Gehwegen sind die Betonplatten über den Abwasserkanälen locker, wenn sie nicht gar fehlen. Die Autos, Busse, Taxis und Tuk-Tuks pfeifen aus dem letzten Loch. Von den bröckelnden Häuserfassaden ganz zu schweigen.

Im Kontrast dazu wirken die Menschen hier äußerst gepflegt. Auf den meisten Balkonen hängt frisch gewaschene Wäsche an Bügeln oder auf Leinen zum trocknen. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Kleidung penibel sauber gehalten wird – egal wie arm oder reich man ist. Waschende Frauen – trocknende Wäsche: Dieses Bild wird uns auf unserer weiteren Reise immer wieder begegnen. Die Männer tragen hier übrigens fast alle Logyis, Wickelröcke wie in Indien, die sie vor dem Bauch zusammenknoten.

Ein Blick in die Gesichter der Frauen und Kinder irritiert zunächst, denn die meisten von ihnen haben sich Thanka ins Gesicht geschmiert. Thanka – oder salopp „birmanisches Make-up“ – ist eine gelbliche Paste aus der Rinde des indischen Holzapfelbaumes. Sie verleiht dem Gesicht ein frisches, jugendliches Aussehen, soll gegen UV-Strahlung der Sonne schützen und kühlend wirken. Ebenso präsent wie die vielen Sonnen- oder Regenschirme, die die Einheimischen mit sich herumtragen, sind die metallenen Lunchtöpfe in den Straßen von Yangon: kleine runde Metallschalen mit Deckel, die übereinandergestapelt an einem Henkel getragen werden.

 

#Sule-Pagode
Im Zentrum von Yangons Altstadt steht mitten in einem Kreisverkehr die Sule-Pagode. Sie bildet auch den Mittelpunkt der, von den britischen Kolonialherren im Schachbrettmuster angelegten Innenstadt von Yangon. Von diesem Bauwerk aus werden übrigens alle Entfernungen in den Norden des Landes berechnet. Hier kommen die Gläubigen oft vor- oder nach der Arbeit oder in der Mittagspause hin, um die täglichen Karma-Punkte zu sammeln. Die Sule-Pagode ist ein Alltagstempel, auch die Gebete und Bitten, die dort gesprochen werden, beziehen sich auf Probleme des Alltags. Vor der Pagode findet man die üblichen Souvenierläden und Singvögel in Käfigen. Man kann einen davon gegen eine kleine Summe “frei kaufen” und fliegen lassen. Wobei ich gelesen habe, dass das Futter der Vögel oft mit einer kleinen Menge Opium versestzt wird. Die Sucht lässt die Vögel schon nach wenigen Minuten zurück zum Käfig fliegen.

 

#Kolonialviertel
Wirklich beeindruckend ist das Kolonialviertel rund um die Sule-Pagode. Mit seinen Gebäuden aus dem 19. und 20. Jahrhundert ist es weltweit das größte seiner Art. Hier reihen sich türkise, hellblaue und ockerfarbene koloniale Häuserfassaden aneinander. Zusammen mit den Satellitenschüsseln, Antennen, Klimaanlagen, auf kleinen Balkons trocknender Wäsche und Holzfensterläden ergeben sie eine spannende Collage, an der ich mich nicht sattsehen kann. Unten auf der Straße bietet sich der bekannte wuselige Anblick: Straßenstände und Ladenzeilen, an denen Gemüse, Fisch, Fleisch, aber auch Antiquitäten, Textilien und Technik verkauft wird. Imposant ist das Gebäude des obersten Gerichtshofes, östlich der Sule-Pagode. Ein Paradebeispiel britischer Architektur, heißt es im Reiseführer. Wenn man genauer hinschaut, sieht man die Grünpflanzen, die aus der Mauer sprießen. Kein Einzelfall: Von Jahr zu Jahr verfallen oder verschwinden immer mehr der Häuser. Jahrzehntelang hat sich keiner um den Erhalt gekümmert, teils weil das Geld fehlte, teils aus einer tiefen Abneigung allem Englischen gegenüber.

 

# Kandawgyi-Park # Chauk Htat Gyi und #Pagode Nga Htat Gyi
Während wir relativ entspannt durch das Kolonialviertel schlendern konnten, stellt der Fußmarsch in Richtung Norden schon eine größere Herausforderung dar. Eigentlich sind es nur wenige Kilometer bis zum Kandawgyi-Park, aber die Verkehrssituation macht es uns nicht leicht. Der Park selber ist eingezäunt und ruhig.  An der Südseite verläuft ein langer Teakholz-Steg. Gleichwohl der Lonley Planet die Uferpromenade als hervorragende Jogging- und Spaziergangsstrecke ausweist, stellen wir schnell fest, dass man sich bei einem solchen Versuch schnell die Haxen brechen würde. Die Holzbalken sind so marode, dass ich schon beim langsamen Gehen aufpassen muss, nicht zu stolpern. Der Ausblick entschädigt dafür: Im Wasser spiegelt sich die Shwedagon-Pagode und die Nordseite lädt zu einer Pause im Schatten der Bäume ein.

 

Nach unserer Pause machen wir uns wieder auf den Weg in Richtung Chauk Htat Gyi-Pagode und Nga Htat Gyi-Pagode. Da wir keine Lust mehr haben, uns zu Fuß zwischen den Autos durchzukämpfen, bestellen wir nun ein Taxi. Und das ist eine gute Wahl. Mit dem Taxi sind es nur einige wenige entspannte Minuten bis zu den Pagoden, die sich einander gegenüberliegen. Am Fuße der Treppe, die hinauf zur Nga Htat Gyi Paya-Pagode führt, fängt uns ein Mann ab, der uns gegen etwas Geld durch die Pagode führen will. Wir lassen uns drauf ein, merken aber schnell, dass er keine große Hilfe ist. Sein Englisch ist so schlecht, dass selbst unser dünner Reiseführer mehr Informationen bereithält.

In der Nga Htat Gyi-Pagode sitzt, unter Blechdächern und zwischen Stahlträgern ein gigantischer Buddha. Die Reiseführer widersprechen sich bei der Größe: Während der eine behauptet, er sei 10 Meter hoch, nennt der andere 14 Meter.  Hinter dem Tempel stehen mehrere Villen im Kolonialstil, die alle zum Kloster gehören. Hier wohnen derzeit etwa 500 Mönche und Novizen.

 

Der Buddha in der Chauk Htat Gyi-Pagode ist 72 Meter lang und ruht auf dem Boden. Hier lerne ich, dass es einen Unterschied zwischen liegenden und ruhenden Buddhafiguren gibt: Ersteren erkennt man daran, dass die Füße nicht strikt parallel zueinander ausgerichtet sind. Er geht nicht – wie die liegende Buddhafigur – ins Nirvana ein. Die Sohlen sind in Quadrate unterteilt, in jedem Quadrat ist ein Glückssymbol eingearbeitet. Insgesamt 108 an der Zahl. Der Fußabdruck symbolisiert die „Erdung der Transzendenz“.

 

#Bogyoke Aung San Market
Mit dem Markt in Istanbul kann er locker mithalten, der in Marrakkesch ist kein Vergleich. Unser Weg durch Yangon führt uns auch am Bogyoke Aung San Market (auch bekannt unter seinem alten Namen, Scott Markt) vorbei. Es ist das Einkaufparadies von Touristen und der reichen burmesischen Oberschicht. Hier findet man einfach alles: Kunst- und Handwerksarbeiten, Schnitzereien aus Holz und Elfenbein, Stoffe, Seide, Schmuck, Souveniers. Gemüse, Fisch, Hühner (lebend oder geschlachtet), werden hier in einer Art und Weise angeboten, die europäische Lebensmittelkontrolleure in Verzweiflung stürzen würde.

 

# Botataung Pagode
Die Botataung Pagode liegt im Süden der Stadt, unmittelbar am Ufer des Yangon Rivers. Zu Fuß laufen wir durch das Kolonial-Viertel, bis wir den Tempel erreichen. Hier ist es stiller und entspannter als in der Shwedagon oder die Sule Pagode. Übersetzt bedeutet der Name so viel wie „Tausend Offiziere“. Der Legende nach bewachten diese die Buddha-Reliquien, als sie aus Indien nach Yangon gebracht wurden. Eine Weile sitzen wir auf einer kleinen Mauer auf dem Hauptplatz, als sich zwei Schweizerinnen zu uns gesellen. Sie fragen uns nach etwas, wir sagen, dass wir es nicht wüssten. Wir tauschen uns darüber aus, wie wenig wir doch über den Buddhismus und seine Gebräuche kennen und wie viel mehr Hintergrundinformationen wir uns manchmal wünschten. Ein Zufall, denn nur durch sie erfahren wir, dass diese Pagode ausnahmsweise mal begehbar ist. Der Gang, der in das Innere der Pagode führt, windet sie wie ein Labyrinth durch das Chedi. Er ist an den Wänden und der Decke mit Blumenmustern verziert und mit Blattgold belegt. In der Mitte bestaunen wir durch ein kleines Fenster das Gefäß, in dem das Haar Buddhas aufbewahrt wird.

#chinatown
Letzter Stopp für heute ist Chinatown. Das Viertel liegt westlich der Sule-Pagode im Zentrum der Stadt. Im Reiseführer haben wir gelesen, dass man vor allem abends dort hingehen sollte, da es dann seinen ganz besonderen Charm hat. Und ja, der Reiseführer hat nicht zu viel versprochen: die engen Straßen, die von den Hauptstraßen abgehen sind voller Menschen. Rechts und links sehen wir Gold- und Juweliergeschäfte, Internetcafés, Restaurants, Tempel und Obstverkäufer. Menschen laufen mit Körben voller Papierwaren, Kunsthandwerk, Blumen und sogar Singvögeln herum. Überall riecht es nach Essen. Zahlreiche Garküchen bieten Frisches vom Grill an. Wir wagen es, Setzen uns an einen der Plastiktische, suchen das frische Fleisch aus der Kühltruhe neben uns aus, dass dann frisch auf den Grill gelegt wird. Und wir beobachten die Menschenmassen, die sich fast ununterbrochen durch die Straßen schieben.

 

#Cocktail auf der Rooftop-Bar
PS: Am besten lässt sich ein Tag übrigens über den Dächern der Stadt ausklingen:In unserem Fall mit einem Cocktail im „Yangon by Sky Bistro“ Ich weiß nicht, ob es die “beste der Stadt” ist – aber der Blick lohnt sich in jedem Fall.