In die Wüste geschickt: Zwei Nächte im Erg Chebbi

17. – 19. November 2016: Am Donnerstag brechen wir gegen 7.00 Uhr in Fés auf: Vor uns liegen etwa 500 Kilometer Straße und 7 Stunden Autofahrt bis nach Hassi Labied bei Merzouga. Die kleine Stadt liegt am Rande des Erg Chebbis, einer der beiden großen Dünenlandschaften Marokkos, und dient als Ausgangspunkt für unseren zweitägigen Ausflug in die Wüste.

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Unsere Bedenken, auf dem Weg im Sand stecken zu bleiben oder die Wüstenstadt nur mit platten Reifen zu erreichen, lösen sich schnell in Luft auf. Die gut ausgebauten und asphaltierten Straßen durch den mittleren und hohen Atlas sorgen dafür, dass wir unser Ziel gut und ohne größere Schäden an unserem Dacia Logan erreichen. Und die Landschaft wandelt sich stündlich. Erst fahren wir durch karge Hügel, gepunktet mit grünen Büschen. Danach hohe Berge mit grünen Palmentälern. Schließlich durch eine lange ebene mit endlosen, geraden Straßen. Steinwüste. Dass wir noch bis kurz vor unserem Ziel Tankstellen und Supermärkte sehen, weist schon darauf hin, dass wir nur zwei von vielen Touristen sind, die Jahr für Jahr hier hin pilgern. Die Schönheit des Erg Chebbi in Kombination mit der guten Erreichbarkeit brachte einen wahren Touristenboom mit sich. Doch wir haben noch Glück: Ende November, Januar und Februar sind – wie wir gelesen haben – die ruhigsten Zeiten. Mit zugleich dem schönsten Wetter. Während die Temperaturen im Sommer am Tag schon mal auf etwa 60 Grad Celsius klettern und in der Nacht nicht unter 30 Grad Celsius fallen, können wir uns über angenehme 20 oder 25 Grad bei bestem Sonnenschein freuen.

Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der… äh, Kamele

Als wir gegen 17.00 Uhr in Hassi Labied ankommen, nimmt uns unser Gastgeber auch schon in Empfang. Von hier aus sind es nur noch wenige Kilometer bis zur algerischen Grenze. Auf diese Tatsache machen vor allem die Soldaten aufmerksam, die nun an jeder Ecke stehen. Das Auto parken wir in einer Garage und packen nur einen kleinen Rucksack mit dem Nötigsten für die kommenden zwei Nächte. Gespannt darauf, was uns erwartet, steigen wir auf unsere Kamele. Zu unserer Reisegruppe gehört noch eine junge Touristin aus der Dominikanischen Republik. Während der Guide die kleine Karawane immer tiefer und tiefer in die Erg Chebbi führt, können wir uns auf einen atemberaubenden Sonnenuntergang konzentrieren, der die Landschaft um uns herum in ein warmes Orange taucht und den Sand scheinbar in Flammen aufgehen lässt. Die Sandberge um uns herum türmen sich immer höher und höher, bis wir schließlich in der Dämmerung ein paar Zelte erreichen. Rund eine Stunde dauert der Ritt, bevor unser Guide die Kamele in einer kleinen Kule – wir haben sie „Kamelparkplatz“ getauft – zum Stehen bringt. Die letzten Meter zum Wüstencamp legen wir im Dunkeln und zu Fuß zurück. Hier zeigt sich, dass unsere Reisebegleiterin bis zu diesem Moment keine Ahnung hatte, dass sie auch in der Wüste übernachten würde. Sie war bislang davon ausgegangen, dass es sich um einen kurzen Ausritt in den Sonnenuntergang handelte, nach dem sie dann zurück in ihr Hotel kehren würde.

Das Berber-Camp besteht aus mehreren schwarzen Zelten, die im Kreis angeordnet und von einem Zaun umgeben sind. Der komplette Boden ist mit dicken Teppichen ausgelegt. Es gibt eine Sitzgruppe mit kleinen Hockern, ein großes Gemeinschaftszelt mit Tischen und Bänken. In unserem Schlafzelt liegen Matratzen, Kissen und ein Haufen Decken, denn um diese Jahreszeit kann es hier empfindlich kalt werden.

Während sich unsere Gastgeber darum kümmern, dass das Gepäck der anderen jungen Frau aus dem Dorf geholt wird, steigen wir auf die Dünen und sehen dabei zu, wie die allerletzten Lichtschimmer am Horizont verschwinden. Gleichzeitig erscheinen immer mehr Sterne. Bis der Himmel voll davon ist. Etwas später kehren wir zum Camp zurück und setzen uns in das Gemeinschaftszelt. Mittlerweile sind noch weitere Gäste angekommen: zwei Chinesinnen und ein Chinese. Die drei hatten es nicht rechtzeitig zum Sonnenuntergang in das Dorf geschafft und waren daher nicht auf den Kamelen zum Camp geritten, sondern den Weg gelaufen. Unsere Gastgeber bringen nun auch das Abendessen in das Zelt. Es gibt Suppe und Brot. Tajine, Cuscus und Nudeln, Granatapfelkerne mit Jogurth zum Nachtisch. Im Anschluss an das Essen versammeln wir uns um das Lagerfeuer draußen, während die Berber traditionelle Musik auf ihren Instrumenten spielen und singen. Wir sitzen noch eine Weile am Feuern und unterhalten uns mit den anderen. Als es schließlich zu kalt wird, gehen wir in unser Zelt. Kuscheln uns unter die Decke und lauschen dem… Nichts.

Am nächsten Morgen reißen uns Stimmen vor unserem Zelt unsanft aus dem Schlaf. Die Uhr auf dem Handy zeigt kurz nach sechs an. Als wir aus unserem Zelt treten, hat draußen schon die Dämmerung eingesetzt. Wir erklimmen die Düne, genießen die Stille und beobachten den Horizont, an dem wenige Minuten später die Sonne aufgeht. Es ist faszinierend, wie sich die Farbe des Sandes um uns herum ändert. Von dem schwarz in der Nacht, über grau in der Dämmerung bis hin zu einem warmen Orangerot bei Sonnenunter- und -aufgang.

Reden. Schauen. Schweigen. Genießen.

Während sich die anderen vier Gäste für den Rückritt ins Dorf fertig machen, schlendern wir noch eine Weile durch die Dünen in der nächsten Umgebung. Genießen die Ruhe. Das Frühstück gibt es heute hoch oben, auf den Dünen. Mit Blick auf die Sandberge. Und anschließend satteln wir dann auch schon wieder auf: Für uns geht es heute noch tiefer in die Wüste. Eine Stunde später erreichen wir ein zweites Camp, in der Nähe einer hohen Düne. Dort halten die Berber ein Lunch für uns bereit. Außer uns ist noch eine Gruppe Koreaner da. Laut, quirlig, lachend, musikhörend. Von Stille kann nun keine Rede mehr sein. Nach dem Mittagessen machen wir uns auf, die höchste Düne zu erklimmen. Oben angekommen liegen wir im Sand, genießen die warme Sonne auf unserer Haut und die Aussicht. Die Ruhe. Reden. Schauen. Schweigen. Genießen.

Erst nach dem Sonnenuntergang treffen wir uns wieder mit unserem Guide, der uns dann zurück in das Basiscamp bringt. Mittlerweile sind neue Touristen eingetroffen: Vier Kanadier und ein Portugiese. Das Essen am Abend ist das Gleiche wie am Vortag. Heute gehen wir früher ins Bett. Am nächsten Morgen stehen wir wieder gegen 6.00 Uhr auf und genießen einen letzten Sonnenaufgang, bevor wir die Kamele besteigen und wieder nach Hassi Labied reiten. Dort wartet dann ein Frühstück und eine Dusche auf uns. Die wir nach zwei Tagen im Sand auch dringend notwendig haben.

“Gott hat die Wüste geschaffen, damit der Mensch dort in Ruhe wandeln kann”

Die Zeit in der Wüste war wirklich spektakulär: Die Farben, das Essen, die Gastfreundschaft der Berber, die Gemütlichkeit der Zelte, die Ruhe. Wir sind froh, dass wir im November da waren und nicht zur Hochzeit im Sommer. Weder die Temperaturen, noch die große Zahl der Touristen wären etwas für uns gewesen. Denn einsam ist es in der Wüste nicht. Im Gegenteil. Es gibt zahlreiche Camps, in denen Gäste übernachten. Überall sieht man Fußspuren, wirklich alleine ist man nirgendwo. Auf allen Dünen sitzen die Touristen bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Überall um einen herum laufen Kamelkarawanen. Es gibt laute Touristengruppen wie etwa die Koreaner. Und es gibt genug Menschen, die nicht mit dem Kamel in die Wüste reisen, sondern mit einem Quad. Motorengeräusche gehören damit schon fast zu dieser Wüste wie der Sand und die Sonne. Beim nächsten Mal entscheiden wir uns dann vielleicht doch für das andere Erg, das noch weniger touristisch erschlossen ist.

Übernachtung: Merzouga Camp Camel treks