Inle-See

Wer nach Myanmar reist, kommt am Inle-See eigentlich nicht vorbei. Pfahlbauten, Einbeinfischer, Floating Gardens – es gibt viele Gründe, dem Ort einen Besuch abzustatten. Auch wir haben auf unserer Myanmar-Rundreise drei Tage dort verbracht. Und können es nur weiterempfehlen.

#ankommen

Es dämmert schon, als der Bus morgens um fünf in der kleinen Stadt Kalaw hält. Ich habe gelesen, dass man von hier aus auch zum See wandern kann. Zusammen mit einem Guide läuft man zwei oder drei Tage dorthin und übernachtet unterwegs in den Dörfern bei Einheimischen. Wir haben uns dagegen entschieden und lassen uns mit dem Bus direkt dort hinbringen. Doch spätestens, als die ersten Passagiere ihre Sachen packen und aus dem Bus klettern ist es auch für uns mit der Nachtruhe vorbei. Wobei man sagen muss, dass an Schlaf eh nicht viel zu denken war. Die ganze Nacht lang ist der Bus über holprige Straßen (oder besser gesagt: Buckelpisten) durch das Land gehoppelt. Selbst die „Drei Fragezeichen“, die mir sonst verlässlich beim Einschlafen helfen, haben diesmal nichts genutzt. Der Stopp in Kalaw sagt an, dass auch wir bald an unserem Ziel angelangt sein werden. Wann genau, das lässt sich schwer einschätzen. Irgendwann steigt ein junger Mann ein, der die Entrance-Fee für die Inle Zone kassiert. Für Touristen kostet der Spaß schlappe 13.500 Kyat, umgerechnet sind das etwa 8,30 €.

 

Und dann geht alles ganz schnell. Zwei Minuten, bevor wir in Nyaung Shwe ankommen, gibt uns der Busfahrer ein Zeichen. Wir können gerade eben unsere sieben Sachen zusammenraffen. Im ächsten Moment klettern wir auch schon aus dem Bus und ziehen benommen unsere beiden Rucksäcke aus dem Gepäckfach. Wie in einem schlechten Film stehen wir einen Moment später im Staub, den der Bus bei der Abfahrt aufwirbelt, und blicken den Rücklichtern hinterher. Hier stehen wir also. In einem kleinen, verschlafenen Dorf. Mitten im nichts. Ich habe vom Hotel eine Nummer bekommen, die ich anrufen soll, wenn wir in der Stadt angekommen sind. Doch das Englisch meines Gesprächspartners ist nicht annähernd so gut, dass ich irgendwas verstehe. Wir sollen irgendwo hin, da holt uns irgendwer ab. Irgendwo am Kanal. Was ich verstehe ist das Wort “CB-Bank”. Die CB-Bank zeigt Google-Maps an, also marschieren wir drauf los. Das GPS auf dem Handy weist uns den Weg. Und tatsächlich. Wir finden die angegebene Hütte. Wenige Minuten später sitzen wir auch schon in einem Longboat, das mit laut knatterndem Motor erst über den Kanal aus der Stadt hinaus und dann über den See zu unserem Hotel düst.

 

Ein Tag auf dem Inle-See
Nach dem wir den ersten Tag am See zum runter- und ankommen genutzt haben, steht für den zweiten Tag eine Tour über den See an. Pünktlich um neun geht es los. Die beiden Jungen, die uns schon am Tag zuvor mit ihrem flachen Holzkahn zum Hotel gebracht haben, warten bereits mit dem Langboot am Anleger des Hotels auf uns. Die Sonne steht noch tief, im Fahrtwind ist es kühl. Zum ersten und letzten Mal in diesem Urlaub ziehe ich sogar meine Softshell über.

Wir fahren von unserem Hotel aus Richtung Süden über den See. Auch wenn es noch früh ist, sind schon viele Langboote mit Touristen an Bord unterwegs. Das Knattern unseres Außenbordmotors stimmt in den Chor der anderen Motoren ein. So idyllisch die Landschaft auch ist, der Motorenlärm wird uns während des ganzen Aufenthaltes hier begleiten. Denn irgendwo ist immer ein Boot auf dem Wasser und knattert vor sich hin. Vom frühen Morgen bis in die späten Abendstunden. In manchen Internet-Foren empfehlen Reisende sogar, unbedingt Oropax für den Besuch am Inle-See einzupacken. Soweit würde ich allerdings nicht gehen.

Nach wenigen Minuten Fahrtzeit erreichen wir das erste Dorf. Die Menschen hier, die zum großen Teil der ethnischen Gruppe der Intha („Menschen vom See“) angehören, haben ihr komplettes Leben auf den See ausgerichtet. Ihre Häuser, Schulen, Restaurants, Handwerkstätten und Pagoden stehen auf Stelzen. Eine direkte Straßenanbindung gibt es natürlich nicht, daher nutzen die Dorfbewohner Ruderboote und Kähne als Fortbewegungsmittel. Zwischen den Häusern sehe ich immer wieder auch einheimische Fischer, die für ihre besondere Rudertechnik bekannt sind. Sie balancieren auf schmalen Booten und schlingen ein Bein um das Ruder. Dieses Bein bewegt das Ruder und somit das Boot fort. So kann der Fischer beide Hände nutzen, um mit seiner Reuse zu fischen.

#Einbeinfischer

 

#Leben auf dem Wasser

 

#Kaffeefahrt
In einem Reiseführer habe ich gelesen, dass die Tour über den See zuweilen einer Kaffeefahrt gleiche. Und tatsächlich steuert unser Bootsjunge zunächst einige Handwerksmanufakturen an: eine Lotusspinnerei, eine Zigarrenmanufaktur, eine Silberschmiede – Produkte, für welche die Intha bekannt sind. Oft sind wir die einzigen Gäste in den „Show-Rooms“, in denen uns Einheimische Frauen vorführen, wie das entsprechende Produkt gefertigt wird.

In der Lotusspinnerei sitzt zum Beispiel eine Frau, die die Stängel einer Lotusblume anritzt und die spinnenartigen Fäden herauszieht. Sie verzwirbelt die Fäden miteinander, bis ein millimeterdünnes, stabiles Garn entsteht. Um sie herum stehen verschiedene Materialien und Werkzeuge, die für die Fertigstellung der Textilien benötigt werden: Spindel, Färbemittel, Webstühle. In Betrieb ist nichts davon. Die Produkte, die wir im Anschluss an die Vorstellung nebenan in einem kleinen Laden kaufen können, werden schon längst in einer Fabrik in Mandalay hergestellt. Kein Wunder: Allein für einen einzigen Schal werden rund 8.000 Pflanzen verarbeitet und dies braucht seine Zeit.

Ein ähnliches Bild bietet sich uns in den Silberschmieden: Auch hier bekommen wir kurz und knackig erklärt, wie das Silber gewonnen und verarbeitet wird, danach dürfen wir uns den filigranen Schmuck in den Vitrinen anschauen. Für eine detaillierte Erklärung reicht das Englisch der Verkäuferin jedoch nicht.

In der Zigarrenmanufaktur steht außer uns noch ein einziger weiterer Tourist, der die jungen Frauen bei der Herstellung der, für Myanmar bekannten Cheeroot-Zigarren filmt. Etwas kaufen will er nicht, ebenso wenig wollen wir das. Damit rechnen die Verkäuferinnen aber auch nicht wirklich. Sie sind froh, wenn sich Tourist*innen mit einer kleinen Summe Geld in der Trinkgeldkasse für das Fotomotiv bei ihnen bedanken.

 

#beten

 

#Shwe Inn Thein-Pagode

 

Am späten Vormittag verlassen wir den Inle-See auf einem Kanal in Richtung Westen, der zu dem acht Kilometer entfernten Dorf Indein führt. Das Dorf ist bekannt für seine riesigen Pagodenfelder rund um die Nyong Oak-Pagode und die Shwe Inn Thein-Pagode. Letztere ist unser nächstes Ziel. Entlang des Kanals reihen sich immer noch Pfahlbauten aneinander: Häuser, Pagoden, Restaurants, Schulen, Gärten. Frauen knien am Fluss und waschen ihre Wäsche, Kinder sind auf dem Weg zum Unterricht, junge Männer baden – nur in Unterhosen bekleidet.

Ein Gefühl für die Zeit habe ich schon längst verloren. Irgendwo, irgendwann hält unser Bootsfahrer an und lässt uns aussteigen. Er weist auf einen Trampelpfad entlang des Flusses und sagt nur „Pagoda! Pagoda!“. Mit mulmigem Gefühl laufen wir den Pfad entlang und fragen uns noch, wo die vielen anderen Touristen sind, die täglich zur Pagode geschafft werden. Weit und breit sind wir die einzigen Menschen. Hinter einer Biegung kommen wir in das Dorf Indain, auch hier ist kaum etwas los. Eine Mutter und ihre kleine Tochter winken uns freundlich zu, sie zeigen in die Richtung, in die wir gehen müssen. Es sind nur ein paar hundert Meter bis zum Fuß der Shwe Inn Thein-Pagode, wo wir auf Touristenmassen treffen. Am Fluss liegen die Boote, mit denen sie gekommen sind, dicht bei dicht. Eine gute Idee von unseren Bootsführern, etwas außerhalb zu parken.

Die Shwe Inn Thein-Pagoden liegt auf einem Hügel oberhalb des Dorfes. Ein langer, überdachter Säulengang führt hinauf. Wie üblich ziehen wir unsere Schuhe aus, lassen sie diesmal aber nicht zurück, sondern nehmen sie mit. Ein Glück, denn es lohnt, den Säulengang zwischendurch zu verlassen und in das riesige Pagodenfeld an beiden Seiten hineinzugehen. Zu beiden Seiten stehen insgesamt 1.054 Pagoden, die aus Sand oder Ziegelsteinen bestehen und bis zu 600 Jahre alt sind. Teilweise sind sie dicht mit Bäumen und Gestrüpp überwuchert, manchmal bis in die Grundmauern eingestürzt. In einigen erkenne ich immer noch Reste von Buddha-Statuen, oft sind ihnen die Köpfe abgeschlagen. Üblicherweise werden unter den Buddha-Statuen Schmuck und Spenden vergraben – doch die Verstecke wurden im Laufe der Jahrhunderte geplündert. Nur wenige der Pagoden wurden überhaupt restauriert, da die Angst zu groß ist, dass die Bauwerke noch weiter einstürzen. Irgendwo habe ich auch gelesen, dass für das Karma lukrativer ist, eine neue Pagode zu bauen als eine alte zu renovieren. Es wäre eine gute Erklärung dafür, warum hier neue und alte dicht beieinander stehen.

90 Minuten brauchen wir hoch und wieder runter. Wir gehen ohne Eile und rasten oben eine Weile im Schatten. Neben uns steht ein älteres deutsches Paar, das sich angeregt mit der Fremdenführerin unterhält: Über die Kultur und das Leben in beiden Ländern. Schnell merken wir, dass sich keiner der beiden Parteien so richtig verständlich machen kann. Mangelnde Englischkenntnisse auf beiden Seiten. Unten am Fluss erwarten unsere Guides uns schon ungeduldig. Denn wir haben heute noch einiges vor: Nach dem Mittagessen einer Mittagspause halten wir noch in einem Souvenier-Shop und fahren weiter zum Nga Phe Kyaung-Kloster.

#Nga Phe Kyaung-Kloster oder das „Kloster der springenden Katzen“ (Nga Phe Chaung Monastery or “Jumping Cat Monastery”)
Das Kloster stammt aus dem 19. Jahrhundert und liegt an der Westseite des Inle-Sees. Wir gelangen aus dem Dorf über eine einzige Brücke zum Kloster, das ansonsten von Wasser umgeben ist. An allen vier Seiten gibt es Stege und Terrassen, an denen Boote anlegen und von denen aus wir einen hervorragenden Blick auf die umliegenden schwimmenden Gärten haben. Im Inneren ist es dunkel und kühl. Das liegt dran, dass die Halle komplett aus Teakholz ist, auch die Säulen und Buddha-Statuen sind aus Holz geschnitzt. Ansonsten bietet sich uns das übliche Bild: betende Menschen, fotografierende Touristen, schlafende Katzen. Ihre Ruhe haben Katzen hier jedoch erst seit einigen Jahren. Im Volksmund heißt das Kloster auch „das Kloster der springenden Katzen“. Früher dressierten die Mönche ihre Katzen, so dass sie kleine Kunststücke vollführen konnten. Das ist seit einigen Jahren allerdings verboten.

#Floating Gardens
Das Dorf mit dem Koster Nga Phe Kyaung liegt inmitten der für Myanmar berühmten Floating Gardens. Die schwimmenden Gärten sind unser letztes Ziel für den heutigen Tag. Hier bauen die Intha Tomaten und anderes Gemüse an, Obst, Lotus, Blumen. Die aus Torf und Wasserhyazinthen bestehenden langen, schmalen Beete und Felder sind mit Bambusstäben am Grund des Sees verankert. Das feuchte und milde Klima machen es den Inthas möglich, ihre schwimmenden Gärten mehrmals pro Jahr zu ernten. Da die schwimmenden Gärten von hohen Zäunen umgeben sind, kommen wir nicht ganz nah ran. Immerhin so nah, dass unsere Bootsführer über den Zaun langen und ein paar der noch grünen Tomaten pflücken. Sie reichen sie uns, wir bestaunen sie brav und sind dann doch froh, dass wir endlich unseren Heimweg antreten.