Wofür habe ich einen Blog, wenn ich ihn nicht füttere? Höchste Zeit, daran etwas zu ändern – diesmal gibt es eine „Postkarte“ aus Südfrankreich. Von Gewitter mit Hagelschauern bis Sonnenschein, von den Bergen bis zum Meer, von einsamen Ecken bis überfüllten Stränden – diesmal war wirklich von allem etwas dabei.
Mittlerweile ist schon die zweite Woche unseres kleinen „Road-Trips“ von den Französischen Alpen (Irgendwo hinter Grenoble, direkt an der Grenze zu Italien) bis in die Provence beinahe zu Ende: In den Bergen wandern, in einem Bergsee schwimmen, Lavendelfelder sehen und riechen, einen Wein direkt beim Winzer kaufen: Abgesehen von dem Letzten, könnte ich eigentlich schon hinter alle Punkte auf meiner „Das-möchte-ich-unbedingt-machen-Liste“ einen Haken setzen. Wie gut, dass Südfrankreich noch so viel mehr zu bieten hat – sonst müsste ich wohl morgen schon nach Hause fahren. In guter alter Tradition (darf man das beim zweiten Mal schon sagen?!) hier ein paar „Lieblingsmomente“ aus den letzten beiden Urlaubswochen:
Montag, 5. August
Montag ist Faulenz-Tag. Ein kleiner Badesee. Um uns herum ragen die schneebedeckten Berge in den Himmel. Die Sonne scheint. Das Wasser ist kalt. Die Uhr weit weg. Ein Buch. Ein Picknick-Korb. Was braucht es mehr? Willkommen Urlaub!
Dienstag, 6. August
Heute kommen unsere Wandersocken & -schuhe zum Einsatz. Mit der Sonne im Nacken und Fliegen auf dem Kopf starten wir auf 1700 Metern – das Tagesziel liegt auf 1900 Metern. Ein Glück, dass die Zeitangaben auf den Wegweisern für den jeweils nächsten Abschnitt sich entweder als übertrieben herausstellen („Der Franzose an sich ist wohl etwas langsamer unterwegs“) oder wir vielleicht doch gar nicht mehr so weit von der Technologie des Beamens entfernt sind. Zeitgleich mit uns erreicht ein kleines Gewitter den Berggipfel. Das bedeutet: Rückenwind für den Abstieg. Da es nichts bringt, die Regenjacken anzuziehen (die liegen nämlich unten im Zelt) nehmen wir den Schauer als willkommene Abkühlung hin (die Klamotten trocknen ja eh schnell wieder) hin.
Mittwoch, 7. August
Beim Aufstehen zeigt sich: Das Gewitter am Vortag war nur der kleine Vorläufer einer größeren Regenfront: Auch der Wetterbericht sagt bis zum Nachmittag Schauer an. Was bleibt da anderes übrig, als einfach im Zelt zu liegen zu bleiben, wahlweise Rommé, Canaster oder Phase 10 spielen und dem Regen zuzuhören?
Donnerstag, 8. August
Heute brechen wir die Zelte in den Alpen ab. Über Italien (der Weg durch die Berge lohnt bei dem Regenwetter nicht) geht es weiter in die Provence. Nachmittags irgendwann erreichen wir den Lac de Serre–Ponçon, der türkisfarben ganz plötzlich vor uns auftaucht. Die Kulisse ist atemberaubend schön: Der See liegt inmitten von schneebedeckten, kahlen, felsigen Bergen. Nur das Tal selber, von der Landstraße bis zum Ufer hinab ist von grünen Bäumen und Sträuchern gesäumt. Es gibt keinen Grund, weiterzufahren. Wir beschließen, die Nacht über hier zu bleiben. Der Campingplatz liegt hoch über dem See, unser Zelt steht nur einige Meter von der Böschung entfernt. Ein kleiner „Balkon“ stellt sich als perfekter Ort für das Abendessen heraus, mit Blick über den See und die Wasserskifahrer, die dort ihr Können (oder Glück) versuchen. Das Timing vom Sonnenuntergang könnte nicht besser sein, denn erneut ziehen Regenwolken auf. Die letzten Sonnenstrahlen verwandeln die ersten Regentropfen in tausend glitzernde Punkte, die vom Himmel fallen. Im Übrigen bin ich mir sicher, dass das Ende des Regenbogens ganz bestimmt über unserem Zelt war 😉
Freitag, 9. August
In Dinge-les-Bains machen wir Halt, weil der Reiseführer uns ein „imposantes Tor zur Provence“ versprochen hat: zwischen zwei Bergen, mit Lavendelfeldern, Olivenbäumen und allem Drum und Dran. Dort angekommen müssen wir allerdings feststellen, dass der Autor definitiv übertrieben hat. Der 30-Minütige Aufstieg auf einen der beiden Berge (die es tatsächlich gibt) bringt uns zwar einen guten Überblick über die Stadt und die Umgebung – „lohnenswert“ ist der aber beim besten Willen nicht. Dass wir in der Provence sind, lässt sich nur an den Postkarten mit entsprechenden Fotomotiven und dem Schriftzug „Provence“ erkennen.
„Lohnenswert“ sind hingegen sowohl die Stadt Sisteron, in der wir mittags vorbei kommen, als auch deren Umgebung. Es ist eine kleine Stadt mit engen und gemütlichen Gassen (und davon haben wir auch in den folgenden Tagen viele gesehen), die sich bis zum Château hoch oben auf der Bergkuppe schlängeln. Es macht einfach nur Spaß, sich den Weg durch die Straßen zu suchen, sich einfach treiben zu lassen. Da ist es auch gar nicht so schlimm, dass der direkte Weg zurück zum Auto nicht mehr so präsent ist… rechts – links? Egal: Irgendwie kommen wir schon ans Ziel und auch auf dem Rückweg zum Parkplatz wird schnell deutlich: Der Weg ist Selbiges.
Samstag, 10. August
Du machst das Zelt auf und das Erste, was du siehst, ist ein Lavendelfeld: Das habe ich mir unter Urlaub in Südfrankreich vorgestellt. Heute geht es weiter in Richtung Provence. Halt machen wir zunächst in Gordes. Auch Gordes liegt auf einem Hügel, in der Ebene Erstrecken sich Wein- und Weizenfelder. Weit in der Ferne sind die Ausläufer der Alpen zu sehen.
Wenn du schon mal in der Gegend bist, kommst du auch an Avignon nicht vorbei. Die “Stadt der Päpste” ist das zweite Ziel auf unserem Weg. Wir bestaunen den ” Palais des Papes ” (allerdings nur von außen), die Pont d’Avignon (allerdings nur von unten), den Ausblick auf die Stadt und die Rhône (diesmal von oben, von den …) und schließlich die Künstler, die auf dem Place d’Honneur Karikaturen von Touristen anfertigen. Mit einem Eis in der Hand, vom Rand eines kleinen Springbrunnens aus.
Nur wenige Kilometer von Avignon aus entfernt, liegt der Pont du Gard, “eines der prachtvollsten und besterhaltensten Baudenkmäler”, so preist es zumindest der Reiseführer an. Und lockt damit rund 1.2 Millionen Touristen im Jahr an. Inklusive uns. Um dem großen Touristenansturm zu entgehen… sind wir leider noch zu früh dran. Einmal dort, einmal 18 Euro Eintritt bezahlt (in Ermangelung einer Wendemöglichkeit vor der Schranke zum Parkplatz), gibt es auch kein zurück mehr. Und so nutzen wir ein Bad im Gardon (die Badestelle liegt übrigens direkt unter dem Aquädukt) um uns von der Hitze des Tages abzukühlen.
Sonntag, 11. August
Der Reiseführer nennt die Zahl 3.000. Meiner Berechnung nach sind es viel mehr: 35 Kajaks in einer Minute – das macht 2.100 in einer Stunde, das macht 21.000 in 10 Stunden. Im Schnitt sitzen zwei Menschen in einem Boot, das wären dann 42.000 Touristen, die täglich die Ardèche herunterfahren. Stundenlang könnte man auf einem der zahlreichen Aussichtsbalkone hoch über der Schlucht stehen und dabei zuschauen, wie die kleinen gelben, roten, pinken oder grünen Pünktchen beinahe pausenlos hinter der Flussbiegung hervorkommen und in einem großen Durcheinander den Fluss entlangfahren.
Für heute haben wir uns die D290, die Route des Gorges de l’Ardèche vorgenommen. 40 Kilometer sind es von Saint Martin-d’Ardèche bis Vallon-Pont-D’Arc. Und jeder Kilometer ist seine Zeit wert, denn die Straße führt direkt entlang der Schluchten, die zum Teil über 300 Meter tief abfallen. Tief unter uns fließt die Ardèche, ein türkisfarbenes Wasserband, gemächlich vor sich hin. Am Pont d’Arc halten wir an, legen eine Mittagspause ein: der Strand am Flussufer ist zwar heillos überfüllt, aber tausendmillionen Touristen können sich nicht irren. Sie alle sind sofort vergessen, sobald du dich ein paar Meter den Fluss entlang treiben lässt, den Kopf in den Nacken legst und hoch über dir den Felsbogen siehst, der die Ardèche in fast 60 Metern Breite überspannt. Stören können auch da die zahlreichen Kajaks nicht mehr, die nun keine kleinen Pünktchen mehr sind…
Montag, 12. August
NichtstunundeinfachnurdenUrlaubgenießen.
Dienstag, 13. August
Dienstag ist Markttag in St-Paul-Trois-Châteaux. Eigentlich wollten wir uns dort nur die mittelalterliche Altstadt anschauen, doch plötzlich sind wir mittendrin im Geschehen. Die Markstände reihen sich dicht an dicht auf dem Marktplatz und in den engen Gassen der Altstadt. Um uns herum Ziegenkäse, Wein, Nüsse, Brot, Lavendel, Knoblauch, getrocknete Kräuter,, Melonen, Aprikosen, Pfirsiche, Nugat (in Blöcken), frische Fleischwaren, Würste, Schinken, Eier, Honig werden zusammen mit Kleidung, Taschen und Tonwaren zum verkauf angeboten. Es riecht nach eingelegten Oliven, Brathähnchen und dem Käse, den die Händler zum Probieren an die Umstehenden reichen. Die Marktstände reihen sich dicht nebeneinander in den engen Gassen der Stadt. Menschen plappern, Händler rufen, Kinder lachen. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, Wind weht. Sommer in der Provence.
Die zweite Station heute ist Grignan. Eine weitere kleine mittelalterliche Stadt, in der die Zeit irgendwann stehen geblieben ist. Neubauten findet man hier nicht. Auch in Grignan ist Markt, nur dass hier mehr Lavendel und Wein auf den Verkaufstischen liegen (kein Wunder, ist die Stadt doch umgeben von Wein- und Lavendelfeldern): Lavendel als Öl, als Duftspray, als Seife, getrocknet, im Säckchen, als Bouquet. Hinauf geht es durch die kleinen Straßen und Gassen zum Château de Grignan: Vom Cour d’Honneur eröffnet sich uns ein großartiger Blick über das Rhône-Tal, den Mont Ventoux und die Häuser der Stadt, die sich an den Berghang schmiegen. Eine Führung gibt uns einen kleinen Einblick in die Geschichte des Renaissance-Schlosses.
Vaison-la-Romaine ist das dritte und letzte Ziel des Tages. Der Reiseführer lockt mit zwei Ausgrabungsstätten, in denen die Überreste einer römischen Stadt das Leben vor über 2000 Jahren dokumentieren. Wir lassen sie – im wahrsten Sinne – links liegen, überqueren auf der römischen Brücke die Ouvèze und suchen uns unseren Weg in die Hôute Ville, die „Oberstadt“. Wie schon so oft zuvor bietet sich uns hier ein Bild aus sandsteinfarbenen Häusern mit Holzläden und hellen Dächern, engen Pflastersteingassen, efeubewachsenen Mauern, Obstbäumen. Doch auch hier taucht ein neues Detail im Bild auf: Überall auf Mauern, auf Fensterbrettern, in Nischen, liegen Bücher. Gelesen, mit auf Reisen genommen, liegen gelassen. Der Idee dahinter ist simple: Wer mag, nimmt sich ein Buch mit oder lässt eines liegen. Die Stadt gleicht somit einer großen Bibliothek (“bibliothèque municipale”) mit einem Bücherbestand aus aller Welt.
Mittwoch, 14. August
Ab nun heißt es noch mal Tage lang „nichtstunundeinfachnurdenUrlaubgenießen“, bevor es dann am Freitag wieder nach Hause geht.