Bagan

Zwei Tage haben wir für Bagan eingeplant. Einen davon kann ich voll und ganz genießen – danach durchkreuzen Magen und Darm meine Pläne. Während Dominik den zweiten Tag alleine unterwegs ist, liege ich krank im Bett. Trotzdem hat Bagan mein Herz ganz und gar erobert.

Es ist kurz vor drei Uhr morgens, als der Busfahrer das Licht anmacht und die Türen öffnet. Sieben Stunden hat die Fahrt in dem Überland-Bus von Nyaung Shwe in die alte Königsstadt gedauert. Am Busbahnhof warten schon Taxifahrer, die die Fahrgäste – diesmal fast ausschließlich Touristen eifrig in ihre Taxis lotsen wollen. Während andere noch verhandeln oder nach Fahrgemeinschaften suchen, sind wir einfach zu müde dazu und nehmen das erstbeste Angebot an.

Unser Hotel, das Royal Bagan Hotel, liegt mitten in Old Bagan. Old Bagan bildet das Zentrum der historischen Tempel-Region. Außer Hotels und Restaurants befinden sich hier eigentlich nur noch Pagoden, aber die sind vom Hotel aus immerhin schnell zu erreichen. Bis vor ein paar Jahren gab es hier auch noch Wohnhäuser, aber zum Schutz der Pagoden hat die Regierung in den 1990er Jahren die Bevölkerung in das neu geschaffene Neubagan umgesiedelt.

 

Bei unserer Ankunft im Hotel stellt sich heraus, dass ein früher Check-in nicht möglich ist. Auch der Aufenthaltsraum lädt mit seinen Plastikstühlen, dem Getränkeautomaten und dem grellen Licht nicht gerade zum Ausruhen ein. Daher beschließen wir kurzerhand, uns heute schon den berühmten Sonnenaufgang von der Terasse einer Pagode aus anzuschauen.

Um die Pagoden zu schützen, darf man seit etwa einem Jahr nicht mehr einfach auf jeden beliebigen Tempel klettern. Der Hotelportier empfiehlt uns daher, zum Shwegugyi-Tempel zu fahren, der etwa vier Kilometer vom Hotel entfernt ist. Wir entscheiden uns dazu, einen kleineren Tempel in der Nähe anzusteuern. Obwohl wir bis zum Sonnenaufgang noch reichlich Zeit haben und die Strecke locker laufen könnten, mieten wir uns einen E-Roller, mit dem wir schon Minuten später leise durch die Nacht düsen.

Während Dominik unseren Roller über die große Hauptstraße lenkt, halte ich das Handy in der Hand und navigiere mit Blick auf Google Maps: „Die nächste müssen wir links“. „Das ist nur ein dunkler Sandpfad“. „Ok. Dann die nächste, die ist sicher größer. Und eigentlich müsste die Pagode ja auch ausgeschildert sein, oder?“

Doch nein, eine größere Straße kam auch nach dem nächsten Kilometer nicht. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen können: Es gibt hier so gut wie keine befestigten Straßen. Die Ebene von Bagan ist staubtrocken, die Wege (oder Pfade) zwischen den Pagoden sind schmal, sandig, überwuchert und nachts natürlich auch unbeleuchte.

Irgendwann fassen wir dann doch den Mut und biegen in einen solchen Pfad ab. Die nächsten Minuten sind der reine Wahnsinn: Im Stockdunkeln, immer nur wenige Meter Sicht, per GPS-Navigation erraten wir den Weg mehr, als dass wir zielgerichtet fahren. Irgendwann, irgendwie gelangen wir zu dem Punkt, an dem unsere Pagode sein sollte. Doch zu sehen sind nur zwei alte, heruntergekommene Ruinen in dichtem Gestrüpp.

Ratlos machen wir uns auf den Weg zurück zur Hauptstraße, als uns ein anderes Pärchen auf einem E-Roller entgegenkommt. Kurzerhand beschließen wir doch wieder zu drehen und ihnen einfach zu folgen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch sie sich den Sonnenaufgang anschauen wollen.

 

Gut geraten. An der Stelle, an der wir bereits ein paar Minuten zuvor standen, steigen sie ab. Als wir sie ansprechen, winken sie uns, ihnen zu folgen: „Wir waren gestern schon hier. Ein traumhafter Sonnenaufgang“, sagen sie. Wir schließen das E-Bike ab und folgen den beiden durch die Dunkelheit in die Ruine. Eine Taschenlampe wäre nun super gewesen. Mit der Lampe unseres Handys leuchten wir uns den Weg: Immer höher führen uns die Treppen in dem alten Gebäude aus Sandstein und Ziegeln, bis wir auf einer Terrasse stehen. Die nächtliche Landschaft, die sich vor uns ausbreitet können wir nur erahnen.

Wenige Minuten nach dem wir es uns auf dem warmen Boden bequem gemacht haben, kommen weitere Touristen die Treppe hoch gestiegen. Und in der nächsten Stunde füllt sich die Terrasse der Pagode immer mehr. Es ist 5.30 Uhr, als das Spektakel losgeht. Erst dämmert es, dann schiebt sich die Sonne immer weiter über den Horizont:. Und das Wetter könnte nicht besser sein. Keine Wolke weit und breit. Es ist angenehm warm. Irgendwann später steigen Heißluftballons in der Ferne auf, ein traumhaft schönes Bild.

Nach einiger Zeit haben wir genug und verlassen die Pagode. Mittlerweile haben wir auch ein Gefühl für unsere Umgebung und ein Bild vom Gelände. Da wir erst am Mittag einchecken können, düsen wir in den nächsten Stunden einfach ziellos durch die weite Ebene. Es ist ein wahres Vergnügen.

Auf einer Fläche von 40 km² stehen über 2200 Tempel, Pagoden, Schreine und Stupas, aus Backstein oder Gold. Eine Pagode nach der anderen schauen wir uns an und es wird nie langweilig, da sich alle voneinander unterscheiden. Wir lassen uns Zeit, schlendrn gemütlich über das jeweilige Gelände und nehmen uns viel Zeit, um die Tempel zu besichtigen.

Manchmal sitzen wir auch lange auf einer Mauer im Schatten und beobachten das Treiben um uns herum. Hier treffen wir schon auf weniger Touristen, als etwa am Inle-See. Europäische Touristen zumindest. Anstelle dessen Chinesen, Inder, Japaner, überwiegend asiatische Touristen. In Gruppen, alleine, mit den Familien. Männer, Frauen und Mönche. Und für die sind nicht nur die Pagoden eine Sehenswürdigkeit, sondern auch die beiden großen Deutschen, die auf einer Mauer im Schatten sitzen. Und so kommt es immer mal wieder vor, dass die Touris ein Selfie mit uns machen wollen: Alleine, nacheinander, zu zweit oder mit der ganzen Familie.