Istanbul 2012

Es ist Samstag, den 17. März 2012. Ich sitze auf gepackten Koffern. Heute nachmittag um17.30 startet der Flieger nach Istanbul. “Ungewissheit” ist das Wort des Tages.

Sechs Tage Urlaub in einer spannenden Stadt liegen vor mir: In einer Stadt, die immer pulsiert und niemals schläft. Einer Stadt, aus der man nicht ohne Gewürze wieder heimfährt, in der man spätestens beim Taxifahren anfängt zu beten. “Traumhaft”, “interessant”, “pulsierend”, aber auch “chaotisch” und “laut” – das sind die Adjektive, die in so vielen Gesprächen im Zusammenhang mit Istanbul gefallen sind. Bislang hat fast jeder, dem ich von meinen Urlaubsplänen erzählt habe, sofort angefangen von der Stadt zu schwärmen. Auch wenn ich selber noch nicht dort war, formt sich so langsam ein Bild von der Stadt in meinem Kopf. Ein Bild, dass nur noch mehr Neugierde weckt, vor allem aber auch Vorfreude und Abenteuerlust. Vor allem bin ich gespannt darauf, herauszufinden, worin die “Faszination Istanbul” liegt.

 

Sonntag: Beyoglu & Sultanahmet
Es ist Sonntagabend und wir sind nach einem langen Tag wieder in unserer Jugendherberge angekommen. Was für eine Stadt! Was für ein Tag! Laut und hektisch, zugleich freundlich und einladend.

Eigentlich wollten wir heute nur in Beyoglu bleiben und durch die Stadtviertel zwischen Taksim und Karaköy spazieren. Doch dabei ist es nicht geblieben: In der Tat haben wir diese Teile der Stadt sogar nur gestreift auf dem Rückweg heute Abend über die Istiklal Cad. zu unserem Hostel. Denn einmal unten an der Galata-Brücke angekommen, zog es uns heute Morgen von ganz alleine auf die andere Seite in den Stadtteil Sultanahmet. Ein Viertel, von dem schon der “Lonely Planet” schreibt, dass die wenigsten Touristen darüber hinaus kommen. Nicht überraschend bei der Konzentration an Sehenswürdigkeiten. Und auch für mich kann ich feststellen: Der Tag heute hat definitiv nicht gereicht, wir werden sicher im Laufe der Tage noch einmal wieder dort hin zurück finden. Auf der Suche nach der “Faszination Istanbul”: 13 Dinge, die meinen ersten Urlaubstag zu einem ganz besonderen Tag gemacht haben:

1. Auf einem Geländer vor der Galata-Brücke in der Sonne sitzend Milchkaffee und Börek frühstücken.
2. Über die Galata-Brücke schlendern und die Tatsache bewundern, dass die Schiffe darunter nicht zusammenstoßen.
3. Tee trinken im Gülhane Parki. Mit traumhaftem Blick auf den östlichen und des asiatischen Teil der Stadt.
4. In einer Schlange anstehen.
5. Registrieren, dass ich gerade anstelle von Wechselgeld Erfrischungstücher bekommen hat.
6. Vom Topkapi-Palast durch den Park in Richtung Hagia Sophia schlendern und dabei dem Gebetsruf des Muezzin zuhören.
7. Touristen zu fotografieren, die sich vor Sehenswürdigkeiten fotografieren (lassen).
8. Das erste Mal im Leben eine Moschee betreten.
9. Mosaik-Lampen in einem Touri-Laden entdecken.
10. In der Dämmerung den Blick von der Galata-Brücke auf das beleuchtete Istanbul genießen.
11. Popcorn-Geruch vor dem Galata-Turm.
12. Sich in einem Menschenstrom die Istiklal Cad entlang treiben lassen.
13. Im “Grand Bourlevard”, wenige Meter abseits der Istiklal Cad, einen Tee trinken und die entspannte Atmosphäre genießen.

Montag: Einmal Asien und zurück
Und schon geht der zweite Tag in Istanbul zu Ende. Wir sitzen auf der Veranda einer Nargile-Bar, ganz in der Nähe unserer Jugendherberge. Sie ist so, wie ich mir eine typisch türkische Kneipe immer vorgestellt habe.

Über uns hängen Lampen aus Mosaiksteinchen, auf dem Tisch stehen Trauben, Pistazien und Erdbeeren. Auf den Bänken liegen dicke Samtpolster. Um uns herum sitzen zumeist junge Türken, die sich unterhalten, Tee trinken, Wasserpfeife rauchen und Backgammon spielen. Neben unserem Tisch steht eine Feuerschale, in der Kohlen glimmen und Wärme spenden. Kurz um: Es ist so richtig orientalisch und: gemütlich. Eigentlich gibt es keinen Grund zu gehen – wären wir nicht so müde, von dem Ausflug nach Üsküdar, der hinter uns liegt. Doch bevor wir gehen, nehmen wir uns noch ein paar Minuten Zeit, um die Dinge und Momente zu sammeln, die uns heute fasziniert haben:

1. Frühstück auf der Fähre über den Bosporus.
2. Asiatischen Boden betreten.
3. Auf einer Bank am Ufer sitzen, den Ausblick auf den Kiz Kulesi und den europäischen Teil von Istanbul genießen. Dabei im Reiseführer über die Geschichte von Istanbul lesen.
4. Kontrastprogramm: Durch den Stadtteil Üsküdar schlendern. Die Ruhe und Gemütlichkeit des Stadtteiles genießen.
5. Den Geruch genießen, den die vielen kleinen Obstläden ausströmen.
7. Auf einem kleinen Platz unter einer Palme an kleinen quadratischen Holztischen, auf noch kleineren quadratischen Hockern sitzen und aus winzigen Gläsern Tee trinken.
8. Mittagessen im Kanaat Lokantasi.
9. Entdecken, dass man den ersten Sonnenbrand des Jahres im Gesicht hat.
10. Vor den Auslagen an einem Süßwarenstand stehen und darüber nachdenken, das Fasten zu brechen.
11. Auf den letzten Drücker die Fähre zurück nach Eminönü erwischen.
12. Draußen auf Deck sitzen und sich den Wind um die Ohren pfeifen lassen.
13. Noch mal darüber staunen, dass die vielen Boote auf dem Bosporus nicht zusammenstoßen.
14. Von Händlern gezielt auf Deutsch angesprochen werden.
15. Im Ali Baba sitzen, Tee trinken, Backgammon spielen, Pistazien essen und Nargile mit Apfelgeschmack rauchen.

Dienstag: Hopp on – Hopp off
Die Zeit vergeht hier einfach zu schnell: Kaum angekommen, ist auch schon der dritte Tag in Istanbul vorbei. Nachdem wir in den letzten beiden Tagen gefühlte 42,195 Kilometer zu Fuss zurück gelegt haben, ging es heute per Bus weiter. “Hopp-On-Hopp-Off-Tour” um das “Goldene Horn” herum mit dem Touristen-Doppeldecker. Und das – mal wieder – bei Sonnenschein und blauem Himmel.

Die Stadt zeigt sich uns wirklich von ihrer besten Seite. Gebrauch gemacht von der Möglichkeit, den Bus zu verlassen haben wir aber dann nur einmal: Im Stadtteil Eyüp sind wir einer spontanen Eingebung gefolgt und noch in letzter Sekunde aus dem Bus gesprungen. Ganz zum Erstaunen unserer Busbegleiterin: “Are you sure? Next bus is coming in two hours!”. Eine Entscheidung, für die wir eine viertel Stunde später belohnt wurden. Mit der Aussicht auf die Stadt vom Pierre Loti Café aus, denn der Stadtteil liegt auf einem Hügel hoch über dem “Goldenen Horn”. Das Beste daran war sicher, dass mit uns nur wenige andere Touristen dort waren, sondern hauptsächlich die Einheimischen. Sehr zu empfehlen ist übrigens auch die Eyüp-Sultan-Moschee, die sich am Fuß des Hügels befindet. Für Muslime ist dies ein besonders heiliger Ort: Er rangiert an Platz vier hinter Mekka, Medina und Jerusalem. Aber das haben wir natürlich erst hinterher im Reiseführer gelesen – hätten wir uns sonst hereingewagt?

Der Nachmittagsspaziergang Eyüp, der Besuch der Moschee und der Tee im Pierre Loti Café waren sicherlich drei Lieblingsmomente an diesem Tag. Und sonst? Hier sind noch vier weitere Momente, die den Tag so schön gemacht haben:

1. In der Sonne vor der Hagia Sofia sitzen und lesen.
2. Beim Abendessen mit dem Kellner über Istanbul und den Rest der Welt sprechen.
3. Unter den tropfenden Deckengewölben der Basilikazisterne hergehen.
4. In einer kleinen, türkischen Kneipe links neben dem Ali Baba sitzen und diesmal nach den korrekten Regeln Backgammon spielen.
Mittwoch: Hagia Sophia & Großer Basar
Und schon wieder geht ein Tag in der türkischen Hauptstadt zu Ende. Für uns war es der letzte, denn morgen geht es zurück nach Hause!  Diesmal sitzen wir nicht in einem Pub, sondern in unserer Jugendherberge – erschlagen von den Eindrücken des Tages. Alle Dinge, die wir – laut Reiseführer oder Freunden – unbedingt mal gemacht haben sollten, sind abgehakt.

Zum guten Schluss haben wir uns heute noch die Hagia Sofia, den großen Basar und den Ägyptischen Basar angeschaut. Drei Sehenswürdigkeiten, die ich in der Tat auch als die Höhepunkte meines Besuches in Istanbul bezeichnen würde. Die Hagia Sofia, die als Kirche errichtet und später zur Moschee umgebaut wurde, beeindruckt vom ersten Schritt an, den man durch das große Eingangstor macht. Auf der oberen Ebene hätte ich stundenlang an das Geländer gelehnt stehen und auf den unteren Teil herabsehen können: Das bunte Treiben im Hauptraum beobachtend. Aus dem Staunen kommt man auch auf dem großen Basar nicht heraus: Hier drängen sich viele kleine Läden dicht an dicht nebeneinander. Ein “Shopping-Center” in orientalisch. Alles ist laut, bunt und exotisch. Händler preisen Teppiche, Lampen aus Mosaik, Keramik, Schmuck, Kleidung, Süßigkeiten (Turkish Delight), Wasserpfeifen an und versuchen dich in ihren Laden zu locken. Auch wenn immer wieder die gleichen Gegenstände angeboten werden, kann ich mich einfach nicht sattsehen. Während der Große Bazaar eine Freude und zugleich Herausforderung für die Augen ist, ist es der Ägyptische Basar für die Nase. Er wird auch der “Gewürz-Basar” genannt. Die Gerüche steigen uns sofort in die Nase, nach dem wir über die Torschwelle getreten sind. Gewürze und Süßigkeiten – so lautet das Angebot hier. In allen Farben. Mit allen Gerüchen. Mein fester Vorsatz, das Süßigkeiten-Fasten nicht zu brechen, hat sich hier übrigens an der Eingangstür verabschiedet. Es wäre aber auch wirklich unhöflich gewesen, die kleinen Süßigkeiten, die uns Händler zum probieren gereicht hätten, abzulehnen. Und auch heute gab es wieder eine Reihe von Momenten, die als “Lieblingsmomente” hoffentlich noch lange in meinem Gedächtnis bleiben werden: Hier kommen die schönsten 14…

1. Das Frühstück am Ufer des Bosporus essen.
2. In dem Teegarten vom ersten Tag im Gülhane-Park Tee trinken.
3. Auf der oberen Empore in der Hagia Sofia stehen und mit viel Ruhe und Zeit das bunte Treiben unter einem beobachten.
4. Den Händler auf dem Großen Basar von 20 auf 8 TL für schöne Schalen  herunterhandeln.
5. In den Ägyptischen Basar eintreten und sofort den Geruch von Gewürzen in der Nase haben.
6. Ein kleines Vermögen für türkische Süßigkeiten ausgeben.
7. Vor der Neuen Moschee sitzen und einen kleinen Jungen dabei beobachten, wie er immer wieder die Tauben aufschreckt.
8. Sich in Seitenstraßen verirren und so das wahre Istanbul kennenlernen.
9. In einem Teegarten vor dem Galata-Turm sitzen und Tee trinken.
10. Von einem Verkäufer beigebracht bekommen, sich auf türkisch zu bedanken.
11. Eine Treffer-Quote von weit über 90% bei der Identifikation deutscher Touristen haben.
12. In einem kleinen Restaurant, in einer kleinen Nebenstraße zu Abend essen.
13. Sich auf dem Heimweg noch die Zeit für einen kurzen Abstecher in die
14. Efes trinken im Hostel und dabei den Renovierungsgeräuschen in der Etage über uns lauschen (es ist ja auch erst 21.29 Uhr).

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