„Ein durch und durch kreativer Fahrstil“

Wenn ich heute daran denke, wie viel Respekt ich anfänglich vor den Autofahrten in Japan hatte, muss ich schmunzeln. Linksverkehr, fremde Schriftzeichen auf den Verkehrsschildern, breite Straßen mit vielen, vielen Autos in großen, großen Städten sind ein Kindergarten im Vergleich zu dem, was uns auf den marokkanischen Straßen erwartet hat. Der reine Wahnsinn. Den zahlreichen Hinweisen und Warnungen in den Reiseführern zu Trotz, haben wir uns auf das Abenteuer “Mietwagen” eingelassen.

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Dank der guten Verkehrsanbindung zwischen den großen Städten gestaltet sich das Reisen in Marokko grundsätzlich sehr unkompliziert: Es gibt Inlandsflüge, Buslinien, ein gut ausgebautes Eisenbahnnetz. Innerhalb der Stadt bringen einen die petit taxis (mehr oder weniger) schnell und zuverlässig von A nach B. Petit Taxis haben in jeder Stadt eine andere Farbe, dürfen das jeweilige Stadtgebiet nicht verlassen und maximal maximal drei Leute mitnehmen. Wobei ich mir sicher bin, des Öfteren mehr als vier Köpfe auf der Rückbank gesehen zu haben. Auch nicht denkbar in Deutschland: In Marokko ist es üblich, dass die Taxifahrer mehrere unterschiedliche Fahrten gleichzeitig annehmen. Selten besteigen Gäste ein leeres Taxi, welches sie dann ganz exklusiv befördert.

Gut ausgebaute Straßen sind in Marokko an der Tagesordnung. Eigentlich haben wir immer – selbst in der Wüste – eine Autobahn oder eine asphaltierte Landstraße gefunden, auf der wir problemlos fahren konnten. Dennoch bleibt das Autofahren eine spannende Sache, vor allem in den Städten wird es schnell stressig. Die Straßen sind oft voller Menschen – darunter auch Gruppen von Schulkindern (die gekonnt mit einem einzigen Handzeichen den ganzen Verkehr zum Halten bringen) – , Mopeds (deren Fahrer ohne Helm und mit Badeschlappen unterwegs sind und vor allem in Marrakesch auch rücksichtslos durch die Medinas düsen), Radfahrern (gerne mal als „Geisterfahrer“ auf einer dreispurigen Hauptstraße gesehen), Handkarren (auf denen sich Waren meterhoch stapeln, nur mit einem dünnen Seil „gesichert“), Pferdekarren und Eseln.  Nicht selten schert das Fahrzeug vor dir einfach aus ohne zu blinken oder zwingt dich dazu, plötzlich zu bremsen. Vor allem auf dem Land und in Marrakesch fahren die Autos nachts auch einfach ohne Licht. Wenn man unter 20 km/h bleibt, ist das noch nicht mal verboten.

Auch wenn Polizeikontrollen hier an den großen Straßen üblich sind und alle paar hundert Meter ein Polizist steht, scheinen uns die Verkehrsschilder eher Empfehlungen als Gebote oder Verbote: Vor allem das Parkverbot und Überholverbot werden (auch vor Kurven) gerne mal ignoriert. Gewöhnungsbedürftig sind auch die Kreisverkehre: Wer von rechts einfährt hat Vorfahrt. Wer ausfährt ebenfalls. Wer zögert, muss mit einem Hupkonzert rechnen.

Kurz zusammengefasst: Darauf musst du dich einstellen, wenn du in Marokko mit dem Auto unterwegs bist: Dass…

  • die Autofahrer um dich herum sich einfach an dir vorbeiquetschen und so eine zweispurige Straße kurzerhand zur vierspurigen erklären („Äh… wie viele Fahrspuren gibt es hier noch mal?!“),
  • nach einem Auffahrunfall (Bus auf Taxi im dreispurigen Kreisverkehr) neben dem Polizisten, dem Taxifahrer und dem Busfahrer auch alle dreißig Buspassagiere in einem riesigen Pulk zusammenstehen und heftig miteinander über den Unfallhergang diskutieren,
  • die Landstraßen mit kleinen Hütten oder Verkaufsständen (manchmal auch nur ein Stuhl, ein Tisch und ein Sack Zwiebeln darauf) gesäumt sind, an denen Händler und Bauern Mandarinen, Feigen, Trauben, Körbe, Zwiebeln und Kartoffeln, Keramikkrüge, Minze, Motoröl oder Kräuter anbieten. Nicht zuletzt deswegen muss man übrigens auch immer damit rechnen, dass das vorfahrende Auto auch plötzlich anhält. Ohne zu blinken natürlich und ob das Bremslicht funktioniert ist ebenfalls Glückssache).
  • dir auf einer dreispurigen Hauptstraße plötzlich ein Geisterfahrradfahrer entgegenkommt,
  • alle zehn Meter ein Tramper den Daumen rausstreckt und darauf hofft, mitgenommen zu werden. Und das, auch wenn weit und breit keine Stadt, kein Dorf, kein Haus zu sehen ist.
  • es dir immer und passieren kann, dass ein Junge hinter einem Busch hervorspringt und die Straße quert,
  • Handkarren, Esel und Pferdekutschen sich ganz normal in das Straßenbild einfügen und die „üblichen“ Verkehrshindernisse darstellen,
  • Jugendliche, die auf den Leitplanken sitzen und Kinder, die am Straßenrand spielen auch auf den Autobahnen kein außergewöhnlicher Anblick sind,
  • Verkehrsschilder eher Empfehlungen sind als Gebote oder Verbote (Vor allem die „Überholen verboten“-Schilder vor Kurven),
  • du dein Auto mit gelöster Handbremse auf einem Parkplatz abstellst, weil die Parkplatzwächter die parkenden Autos bei Bedarf schiebend “umsortieren”.

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