Christchurch – Tag 19

Ich sitze am Flughafen in Christchurch und beobachte, wie sich die Sonne langsam hinter den dicken Regenwolken hervorschiebt. In den letzten 24 Stunden hat es durchgehend geregnet – und zwar in Strömen. Aber nun zeigt sich das Wetter doch wieder versöhnlich und winkt mir zu meinem Abschied von der Südinsel noch einmal freundlich zu. Ich schlage ein: Vergeben und vergessen – hatten wir doch in den letzten drei Wochen fast durchgehend unverschämtes Glück.

Der Tag heute steht ganz unter dem Zeichen des Abschiedes: Ein letzter Morgen im Campervan. Abwasser raus, Müll weg, Besen rein. Das alles im strömenden Regen und bei winterlichen 15 Grad Celsius. Wie gut, dass wir unsere Taschen schon gestern Abend gepackt haben, denn es ist mühsam, das Wasser draußen zu halten. Dann ein letzter gemeinsamer Ausflug. Auch wenn ich heute Mittag nach Auckland fliege, will ich doch wenigstens ein bisschen von Christchurch bei Tageslicht gesehen haben. Wir nutzen die Gelegenheit für eine kurze Stadtrundfahrt. Es gibt hier eine historische Straßenbahn, die auf einer kurzen Route durch die Innenstadt alle Sehenswürdigkeiten abklappert. Man kann nach Belieben ein- und wieder aussteigen.

Bei dem Regen macht die Hopp-on–Hopp-off-Variante kaum Spaß. Also bleiben wir sitzen und hören uns an, was der Schaffner zur Stadt zu erzählen hat. Es ist eine traurige und zugleich faszinierende Geschichte. 2010 und 2011 gab es hier zwei verheerende Erdbeben. Vor allem das Beben im Jahr 2011 traf die Stadt schwer, da das Epizentrum nur etwa zehn Kilometer außerhalb und in nur fünf Kilometern Tiefe lag. Etliche Gebäude stürzten ein (darunter zahlreiche historische Bauten), rund 200 Menschen kamen ums Leben. Etwa 10.000 Wohnhäuser mussten anschließend abgerissen werden, mehr als 100.000 Gebäude waren reparaturbedürftig. In der folgenden Woche verließen mehr als 70.000 Menschen die Stadt. Und von all dem hat sich Christchurch heute noch nicht erholt.

Auf unserer kleinen Rundtour durch die Innenstadt sehen wir Häuserlücken und leerstehende Gebäude, brachliegende Schotterplätze, Baustellen und Bauzäune. Die Kathedrale am Cathedral-Square wurde bereits bei früheren Beben beschädigt und bis heute ist nicht klar, ob sie je wieder aufgebaut werden kann. Andere Stadtteile hingegen wurden komplett neu aus dem Boden gestampft. So traurig die Geschichte, um so mehr Mut gibt die Streetart, die an jeder Ecke zu sehen ist: farbenfrohe Graffiti, tolle Kunstwerke. Das alles zeugt vom Optimismus, mit dem die Menschen in Christchurch der Zukunft entgegenblicken.

Nach einer Kaffeepause in einem gemütlichen kleinen Café in der Stadt und einem Mittagessen im “Puki Poke” bringt mich Steffi zum Flughafen, bevor sie selber Jack abgeben wird. Am Stop&Drop verabschieden wir uns und während Steffi in ihren zweiten Urlaubsteil startet trete ich den Heimweg an. Eine Nacht und einen Morgen habe ich in Auckland, bevor es dann weiter über Dubai nach Hause geht. Kaum zu glauben, wie schnell die drei Wochen vergangen sind.

Wehmütige Grüße vom anderen Ende der Welt und bis bald
Eure Marie