Liebe Karin, lieber Wolfgang,
Wir sitzen auf einem kleinen Campingplatz in der Nähe von Rotorua, während Tag vier unserer Reise so langsam zu Ende geht. Es war – mal wieder – ein perfekter Sommertag. Mit einem perfekten Sommermorgen an einem perfekten Sommerstrand. Und bei dem ganzen weißen Sand musste ich unwillkürlich an Euch und Euer Kontrastprogramm denken. Daher bekommt ihr einfach diese vierte Postkarte von mir.
Ein perfekter Sommertag beginnt übrigens um 5.30 Uhr. Irgendwie haben wir es geschafft, so zeitig aufzustehen und im ersten Morgenlicht zum Strand zu laufen. Über einen sandigen Waldweg, es dauert zehn Minuten bis wir da sind. Vogelgezwitscher, unsere Schritte, knackende Äste unter unseren Füssen, das Rauschen der Brandung. Abgesehen davon ist es ganz still. Es riecht nach Wald und Moos und Salz in der Luft.
Außer einem Mann mit seinem Hund ist sonst niemand am Strand zu sehen. Wir vier sind die Einzigen dort, als sich gegen 6 Uhr die Sonne langsam über den Horizont schiebt. Es ist ein außergewöhnliches Licht, eine außergewöhnliche Stimmung. Ganz ruhig, ganz entspannt und friedlich. Wir laufen barfuss den Strand entlang, durch das Wasser und den Sand, gehen schwimmen, machen Yoga-Übungen (jaja, das volle Kitsch-Programm) und sitzen später noch eine Weile da. Einfach so. Weil wir es können. Weil wir Urlaub haben und weil es einfach schön ist. “God’s own Country” nennt der Kiwi sein Land. Und seit diesem Morgen weiß ich auch warum.
Während des Frühstücks erleben wir, dass das DOC (Department of Conservation) wirklich herumfährt und kontrolliert, wer so alles auf den Selfcontained Campingplätzen steht und ob alles seinen rechten Gang nimmt. Gegegnüber von uns parkt ein dunkelgrüner VW Passat. Offensichtlich nicht self contained. Dafür aber mit offener Gepäckklappe und einer Plane darüber gespannt, die als Zelt dient. Offensichtlich, dass hier jemand übernachtet hat. Die Rangerin klopft an das Fenster und weckt die Insassen auf: erst erscheint ein junger Mann mit zerzausten ein verschlafenes Pärchen steckt seine Köpfe aus der Tür. Während beide verwirrt in den Tag blicken, stellt die Frau vom DOC schon einen Strafzettel aus. 200 Dollar kostet diese unerlaubte Campingaktion vermutlich. Schade für die beiden, aber gut für uns, mal mitzuerleben, dass auch tatsächlich abkassiert und kontrolliert wird. Sonst hätten wir uns vermutlich noch gefragt, warum wir so viel Geld in ein Selfcontained-Auto investiert haben.
Der frühe Start in den Tag führt dazu, dass wir auch früh auf der Straße sind. Das nächste Ziel: Rotorua, im Landesinneren. Rotourua ist bekannt für seine geothermischen Aktivitäten: Sprühende Gaysiere, dampfende Thermalquellen und brodelnde Tümpel. Und über allem liegt ein durchdringender Geruch von faulen Eiern. Kurz hatten wir überlegt, einen Campingplatz direkt in der Stadt zu buchen, um am Silvesterabend zumindest die Möglichkeit zu haben, auszugehen. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie froh ich war, dass wir uns dann doch für die Alternative am Stadtrand entschieden haben.
Nach dem Einchecken auf dem Campingplatz – diesmal für zwei Nächte – fahren wir zunächst wieder mit dem Auto in die Stadt, für einen kurzen Rundgang: Durch die Government Gardens und den Kuirau-Park – ein vulkanisches Gebiet, das man – ausnahmsweise mal – kostenlos erkunden kann. 2003 gab es hier einen Vulkanausbruch, der weite Teile des Parks mit Schlammassen begrub – davon sieht man heute allerdings nichts mehr. Was man sieht: einen Kratersee, dutzende Tümpel in denen es brodelt, blubbert, kocht und qualmt.
Weder besonders schön, noch besonders idylisch – aber irgendwie faszinierend.
Liebe Grüße mit einem Taschentuch vor der Nase vom anderen Ende der Welt
Eure Marie