Napier – Tag 7

Lieber Micha,

heute ist Tag 7 unserer Neuseelandreise und wir sind vom Lake Taupo wieder zurück an die Ostküste gefahren, genauer gesagt, nach Napier. Napier ist vor allem bekannt durch seine Architektur. Architektur, das ist dein Stichwort und daher geht die siebte Postkarte an dich.

Nach einer zweistündigen Fahrt durch das Landesinnere – wie immer über schmale Straßen: Kurve links, Kurve rechts, den Hügel hinauf, den Hügel hinab – kommen wir pünktlich zur Mittagszeit an unserem Ziel an. Seit Tagen versuchen wir genau das zu vermeiden, um nicht zur heißesten Zeit des Tages unser Programm durchziehen zu müssen. Doch auch heute hat dieser Plan wieder nicht funktioniert. Zu schön war es einfach, am Morgen auszuschlafen, noch einmal im See baden zu gehen, danach in Ruhe in der Sonne zu sitzen und zu frühstücken. Sich den Wind um die Nase wehen zu lassen, an den Plänen für die nächsten Tage zu feilen.

Es ist also brütend heiß, als wir in Napier ankommen. Die Sonne knallt vom Himmel. Im Reiseführer steht, sie habe den Charme eines englischen Seebads. Nun gut. Die einen sagen so, die anderen so, ich sage: Hübsch, wirklich hübsch. Nein im Ernst: Es ist es schon beeindruckend, wie konsequent sich hier die Häuser im Stil der 30-er Jahre aneinanderreihen: flach, schlicht, in Pastellfarben und sehr gut erhalten wirken die Gebäude irgendwie fröhlich. Man fühlt sich ein bisschen wie in einer Westernstadt und ihre Einwohner kokettieren damit: vor einer Bar stehen zwei Oldtimer samt Chauffeure im 30er-Jahre-Look, die man für eine Stadtrundfahrt buchen kann.

Ihr Erscheinungsbild hat die Stadt übrigens einem Unglück in den 1930er Jahren zu verdanken: Damals erschütterte ein Erdbeben mit Stärke 7,6 auf der Richterskala die Stadt und machte sie dem Erdboden gleich. Schnell begannen die Einwohner*innen mit dem Neuaufbau. Im Stil ihrer Zeit.

Touristen flanieren durch die Straßen und sitzen in den Cafés und Restaurants. Auch wir nutzen die Gelegenheit für einen kleinen Bummel durch die Fußgängerzone und machen Halt in einigen Kleiderläden, bevor wir uns mit einem Mittagssnack auf eine Bank im Schatten an der Promenade sitzen und den Blick auf das tiefblaue, unendlich weite Meer genießen, reden und die vorbeilaufenden Menschen beobachten.

Heute können wir uns Zeit für den Stadtbummel lassen, denn diesmal haben wir uns wieder im Vorfeld einen Campingplatz für die Nacht reserviert. Mit ordentlichen Duschen und Toiletten und der Möglichkeit unsere Kleidung zu waschen. Auch wenn es wunderbar ist, den Tag mit einem kurzen Bad im klaren Seewasser zu beginnen, freuen sich die Haare und Körper dann doch wieder über Schampoo und Seife und eine richtige Dusche.

Der Platz auf dem wir sitzen ist der Napier Beach Kiwi Holiday Park. Wir haben Glück – oder Pech – je nach dem, wie man es betrachtet, dass wir den allerletzten freien Platz auf dieser Campsite ergattern: Direkt neben der Rezeption, bei den Mülleimern und nahe dem stark befahrenen State Highway 5.

Auch diesmal wieder mit mit deutschsprachigen Nachbarn: einer vierköpfigen Familie samt Hund. Schweizer, die seit einem Jahr hier in Neuseeland leben und gerade im Urlaub sind. Der Camper steht so, dass er die meisten Geruchsschwaden abfängt, die mit dem Wind von den Müllcontainern herübergeweht werden und den Lärm der Hauptstraße etwas abfängt. Über uns, ein Meer an Sternen. Das goldene Licht des Sonnenuntergangs, das abendliche Schwimmen im Meer, die Dusche – all das entschädtigt schon für dieses kleine Manko. Und wir wissen: Sobald die Wäsche getrocknet, der Strom aufgeladen, der Wassertank aufgefüllt ist, wird der nächste Stopp definitiv wieder ein Freedom-Campingplatz mit Premium-Aussicht auf irgendeinen See oder den Pazifik sein.

Liebe Grüße aus den 30er Jahren am anderen Ende der Welt
Deine Marie