Te Mata Peak und Akitio – Tag 8

Lieber Thankmar,

ich habe bislang kaum ein Land erlebt, in dem die Menschen so offen waren: es braucht wirklich nicht sehr viel, um mit anderen – Touristen und Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Allein die Tatsache, dass du hier mit einem netten “Hi Guyse, how are you?” begrüsst wird und man sich ehrlich Über eine Antwort freut, erleichtert den Gesprächsbeginn enorm. Und es ist bemerkenswert, wie kleine Bekanntschaften und noch so kurze Gespräche eine Reise aufwerten können. Selten habe ich im Urlaub so oft mit Fremden darüber gesprochen, wo ich herkomme, was ich beruflich mache, wo ich schon in der Welt unterwegs war. Auf dem Campingplatz, an der Supermarktkasse, beim Spülen.

Ich erlebe die Leute hier als wahnsinnig kontaktfreudig, aufmerksam, offen und interessiert. Mit Kiki zum Beispiel, der Bekanntschaft vom ersten Morgen, schreiben wir heute noch ab und zu und halten uns auf dem Laufenden über unsere Pläne. Aber vor allem auch mit Einheimischen. Eine wirklich witzige Begegnung hatten wir heute: Mit Roddy dem Lobster-Fischer, seinem Kumpel Mac und seiner Nachbarin Henny.

Wir treffen die drei auf einem kleinen Campingplatz in Akitio – irgendwo im Nirgendwo an der Ostküste der Nordinsel zwischen Napier und Wellington. Nach einem kleinen Zwischenstopp auf dem Te Mata Peak (mit wunderbarer Sicht auf die Hawkes Bay und Umgebung) und einem kurzen Halt in Waipawa (letzte Möglichkeit, einzukaufen) kommen wir gegen Abend in dem kleinen Dorf an. Die Rezeption ist zugleich der Dorfladen, außer uns steht nur ein weiteres Wohnmobil auf dem wunderschönen Platz direkt am Meer. Alle anderen Camper scheinen mehr oder weniger sesshaft hier zu sein.

Als ich von meinem Spaziergang am Strand wiederkomme, hat uns die Reisfreundin ein Date zum Dinner klar gemacht: mit Roddy, Mac und Henny. Warum nicht, denken wir und gesellen uns zu ihnen. Als wir ankommen liegt schon dieser riesige Hummer auf dem Tisch. Ohne große Vorrede zerteilt Mac den Hummer gekonnt in zwei Teile und stellt sie uns vor die Nase. Gespannt beobachten die drei uns, wie wir das Tier ungeübt auseinandernehmen und versichern sich, ob es uns denn auch schmeckt. Unter der Anleitung von Henny lernen wir dann noch, wie wir dem Hummer auch die Arme und Beine brechen müssen, um an das zarte Fleisch zu kommen. Unter den Blicken der drei essen wir so die kuriosesten Körperteile – von denen wir bis jetzt nicht sicher sind, ob es sich wirklich um Delikatessen gehandelt hat – und fragen uns, ob sie wohl eine Wette darüber abgeschlossen haben, wie weit wir denn wohl gehen würden. Nachdem die Hummer tapfer verspeist sind, kommen Seeigel auf den Tisch, die uns dann doch zu suspekt sind. Schließlich holt Roddy eine Keksdose hervor und Henny und Mac greifen begeistert zu. Auch Steffi zuckt (ein Schoko-Brownie!) und fragt dann doch lieber noch ein zweites Mal nach, was das denn sei. Irgendwo in dem erklärenden Wortsalat von Roddy (zudem noch im New Zealand-Slang) filtern unsere Gehirne die Worte “Marihuana” und “Hash” heraus so dass wir schnell dankend ablehnen.

Während die drei ihre Kekse futtern und eine Zigarette nach der anderen rauchen, kommen wir ein wenig ins Plaudern:
Roddy erzählt, dass er eigentlich aus einem Dorf in der Nähe stammt, wo er Pferde züchtet. Im Sommer dann wohnt er hier am Strand und fährt jeden Tag zum Fischen auf das Meer. Seine Hummer sind die besten weit und breit und wurden auch schon Containerweise nach Japan verschifft.

Henny ist vor Jahren mal von Italien nach Holland getrampt und hat dabei auch einen Zwischenstopp beim Münchener Oktoberfest eingelegt. Sie staunt immer noch darüber, dass schmale Mädchen so viele Bierkrüge auf einmal heben konnten.

Die obligatorischen Fragen: Was wir beruflich machen, wie es uns in Neuseeland gefällt, was wir schon gesehen haben, was unsere weiteren Pläne sind. Alle lachen herzhaft und noch lauter, als ich ein paar Minuten später erzähle, dass ich für die Katholische Kirche arbeite: “Na dann ist klar, warum du die Kekse nicht genommen hast” sagt Henny. Nur Mac ist sich nicht sicher, wie witzig die Situation wirklich ist und lässt die Keksdose vorsichtshalber mal lieber verschwinden.

Liebe Grüsse vom anderen Ende der Welt
Deine Marie