Hallo Rabenhorst-WG (Hallo Gudrun, hallo Heiner, hallo Ansgar, hallo Vanessa),
kilometerlange Strände mit gelben Sand, Palmen und Farne, die bis ans Ufer reichen, türkisblaues Wasser: so habe ich mir die Golden Bay vorgestellt. Und genau so war sie bei unserer Ankunft dort heute – natürlich nicht. Mittlerweile sitzen wir irgendwo im Nirgendwo auf einem kleinen Campingplatz – den wir uns irgendwie auch nicht so vorgestellt haben – und überlegen, wie wir wir das Beste aus der Sache machen können.
Und dabei sah am Morgen noch alles so vielversprechend aus: nach einem entspannten letzten Vormittag in den Marlborough Sounds (Ausschlafen, Frühstück in der Sonne…) starten wir in Richtung Abel Tasman National Park. Der Plan ist es, zunächst einmal um den Park herumzufahren und am nördlichen Ende unser Lager für die nächsten Tage aufzuschlagen. Laut Reiseführer ist die Ecke ein guter Ausgangspunkt für Wander- oder Kajaktouren. Da wir gut in der Zeit sind, wollen wir uns vorher noch kurz die Golden Bay anschauen. Soll wunderschön dort sein, haben alle gesagt.
Noch ist das Wetter gut und wir machen uns auf den Weg. In Nelson halten wir, schauen nach Links und Rechts, ob vielleicht nicht doch ein Pinguin unseren Weg kreuzt (hier in der Gegend gibt es die kleinsten Pinguine der Welt), und trinken einen Café Latte in einem kleinen Café in der Nähe des Hafens.
Dann das alte Spiel: Kurve links, Kurve rechts, bergauf, bergab, bergauf, bergauf, bergauf, bergab – bis wir nach dreistündiger Fahrt irgendwann in der Golden Bay angekommen sind. Besser gesagt in dem kleinen Ort Takaka. Hier irgendwo ankerte übrigens der niederländische Seemann Abel Tasman im 16. Jahrhundert, nachdem er Neuseeland einige Tage zuvor als erster Europäer gesichtet hatte.
Heute ist die Bucht bekannt dadurch, dass sich hier viele Aussteiger*innen niederlassen – um ihre innere Mitte zu finden oder ihr Glück. Es ist sozusagen das Hippi-Viertel von Neuseeland. Der Stadt Takaka sieht man das auf den ersten Blick: Ein Whole-Meal-Café, ein Ökoladen (unverpackte Lebensmittel, Bio-Gemüse, Vollkornbrot), Hippi-Klamotten. Menschen in weiten Batik-Kleidern und verfilzten Haaren, die hier “einer künstlerischen Betätigung nachgehen oder einen alternativen Lebensstil pflegen”, wie es so schön im Reiseführer heißt, treffen auf die 08-15-Touristen die auf der Durchreise sind.
Wir finden hier weder unsere innere Mitte noch unser Glück – sieht man mal von dem Vollkornbrot aus dem Bio-Laden ab. Und wir finden es auch nicht am 12 Kilometer nördlich gelegenen Strand von Collingwood. Als wir dort ankommen, ist der Himmel bewölkt (immerhin keine Regenwolken), das Wasser fort (weil Ebbe) und der Wind fegt rau den Sand (eher weiß als goldgelb) über den Strand. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt.
Was hingegen genau den Beschreibungen meiner “Gebrauchsanweisung für Neuseeland” entspricht, sind die vielen bunten, kreativen und teils auch skurrilen Briefkästen, wie wir hier überall sehen. Wie in Schweden und den USA stehen sie direkt am Straßenrand, während die Häuser meist etwas weiter zurück liegen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt: Neben kleinen Häuschen in allen möglichen Farben sehe ich einen Traktor (samt Santa Claus am Steuer), einen Kran, Schiffe, eine ausgediente Nähmaschine, Weinfässer, Milchkannen und so weiter und so fort. Diese kreative Form ist übrigens auf der Südinsel viel weiter verbreitet als im Norden.
Unser Campingplatz liegt am Tata-Beach, am Eingang zum Abel Tasman National Park. In der Theorie schien uns das sehr praktisch und was auf den Bildern in der “Campermate”-App ansprechend aussah, ist es auch in der analogen Wirklichkeit. Wenn man die Einfahrt findet (unten am Berg einfach gerade aus und nicht erst kilometerweit auf einer engen steilen Schotterpiste berghoch, dann in einem spannenden Manöver auf der engen Straße wenden und wieder Retour) lässt der Platz das Pfadfinderinnen-Herz höher schlagen: er liegt auf einer kleinen Lichtung, auf der nur ein paar Autos Platz finden. Es gibt eine kleine Outdoor-Küche mit Feuerstelle, Klo und Dusche mit Panorama-Blick auf den umliegenden Busch.
Doch so ganz passt er uns nicht in den Plan. Es fehlt der Stromanschluss für unseren Van, denn die Batterie für den Kühlschrank müsste dringend mal aufgeladen werden. Auch fällt uns auf, dass er zwar mitten in der Penguin-Zone liegt (“watch out for Penguins”), mehr aber nicht zu bieten hat. Der wirklich attraktive Teil des Nationalparks liegt auf der andere Seite. Ganz zu schweigen von den Wassertaxis, der Kajakvermietungen, den Restaurants und Cafés, die wir uns gewünscht hätten.
Am Abend sitzen wir mit drei deutschen Mädels aus Hamburg und einem jungen Mann aus Bielefeld zusammen am Lagerfeuer. Die Mädels haben gerade das Abitur hinter sich und reisen nun erst mal durch gemeinsam durch die Welt. Vor ein paar Wochen dann, hat sich ihnen der Bielefelder angeschlossen. Seit dem kreuzen sich ihre Wege immer wieder, oft verabreden sie sich für den Abend am selben Ort.
Während sie Stockbrot machen, erzählen sie erzählen uns – von ihren beiden Wanderungen durch den Abel National Park. Spätestens in diesem Moment wird uns klar, was wir zu unserem Glück brauchen: einen neuen Plan.
In diesem Sinne: einen entschiedenen Gruß vom anderen Ende der Welt.
Eure Marie