Mittlerweile sitzen wir wieder im Hooked, dem kleinen Café an der Uferstraße von Marahau, und ich reibe mir den schmerzenden Arm. Ob die Schmerzen vom Kanu-Fahren gestern oder meiner unfreiwilligen Slapstick-Einlage heute kommt, weiß ich nicht. Was ich weiß: Hinter mir liegt ein weiterer schöner Urlaubstag, mit ungeplantem Action-Potenzial.
Outdoor-Sportarten gehören in Neuseeland übrigens zum Alltag, wie in Argentinien das Tango-Tanzen. Habe ich gelesen. Und tatsächlich hat unsere Tour durch das Land gezeigt: Selbst in der abgelegensten und unspektakulärsten Gegend findet man hier immmer eine Möglichkeit, den Adrenalin-Spiegel hochzujagen. Skydiving, Bungee-Jumping, Paragliding, Mountainbiking, Conyoning, Rafting, und Horseriding sind nicht nur eine Möglichkeit, den Tourist*innen das Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern durchaus ganz normale Kiwi-Hobbies. Auch wenn ich sonst gerne mal Neues ausprobiere und mich – ich gestehe – manchmal auch die Verpassensangst fest im Griff hat, kann ich auf solchen Nervenkitzel doch sehr gut verzichten. Wie ironisch, dass mich ausgerechnet ein Bad im Cleopatra’s Pool an den Rand einer rasanten Fahrt gebracht hat.
Der Plan für heute war leicht gemacht: Ausschlafen, mit dem Wassertaxi zur Torrent Bay düsen, einen kleinen Walk zum Cleopatras’s Pool machen, weiter zur Anchorage Bay, dann mit dem Wassertaxi zurück nach Marahau. Etwas Bewegung (nicht zu viel), ein bisschen was sehen (noch mal was Neues), ein Bad im Naturpool (wie Kleopatra eben). Ein perfekter Urlaubstag.
Das Wassertaxi steht pünktlich um 10.30 Uhr vor der Tür des Campingplatzes – im wahrsten Sinne. Da das Ufer hier sehr flach ist, betritt man das Boot nicht über einen Steg oder ein Pier. Wie wir es schon an anderen Orten beobachtet haben, schieben Traktoren die Schiffe auf Anhängern ins Wasser. Aus allen Richtungen kommen diese kuriosen Gespanne an den Strand gefahren, es bildet sich eine lange Kolonne von Traktoren mit Trailern, die ihre Boote zu Wasser lassen wollen. Es erinnert leicht an eine Schlange von wartenden Flugzeugen, bevor sie vom Tower das “go” bekommen und auf die Startbahn rollen.
Heute sind wir Teil des Spektakels. Wir klettern also an Bord, ziehen schon mal die Schwimmwesten an und lassen uns dann gemütlich zum Strand fahren. Einmal im Wasser, zieht unser Captain das Tempo auch beachtlich an. Minuten später hüpft das Boot nur so über die Wellen und das Wasser spritzt zu allen Seiten. Wie am Tag zuvor fahren wir die Küstenlinie ab. Unser Skipper kommentiert diesen oder jenen Felsen, bringt uns noch mal vorbei an den wunderschönen Stränden und Klippen des Nationalparks. Vorbei geht es wieder an der kleinen Insel mit den Robben. Heute steht das Wasser niedriger als gestern, wir haben mehr Glück und sehen die Meerestiere schwimmen oder in der Sonne liegen.
45 Minuten später setzt uns der Skipper an der Torrent Bay ab und wir machen uns auf den Weg. Im Grunde das gleiche Spiel wie gestern und wie immer: bergauf, bergab, Kurve rechts, Kurve links. Ein ausgebauter Wanderweg der durch den Busch führt, freundliche Mitwanderer*innen und auf dem letzten Stück auch immer mehr Familien mit kleinen Kindern. Alles in allem: Keine Strapazen notwendig. Flipflops oder Turnschuhe reichen vollkommen aus.
Dann der Abstecher zum Cleopatra’s Pool. Irgendwo zwischen der Torrentbay und der Anchorage Bay bahnt sich der Torrent River seinen Weg durch den Dschungel ins Meer. Etwas oberhalb des Coast Tracks haben sich in seinem Flussbett natürliche Felspools gebildet, die stets mit kalten, klarem Flusswasser gefüllt sind. Ein Geheimtipp sind die Pools nicht mehr (im Gegensatz: eher ein wahrer Touristenmagnet), nichts desto trotz wunderschön. Von den Hamburger Mädels wissen wir, dass es dort auch eine natürliche Wasserrutsche gibt. Das weckt natürlich die Neugier und daher machen wir uns auf den Weg dahin. Das Highlight: Die “Elefantenrutsche”, die entfernt an jene Kinderattraktionen im Freizeitbad erinnert. Direkt unterhalb des kleinen Wasserfalls hat sich der Wasserstrom eine natürliche Rinne geschaffen, die seitlich in den Pool verläuft. Die Rinne ist von innen mit Moos bewachsen, so dass man hier herunterrutschen kann. Das zumindest haben wir im Internet gelesen und von anderen Mitreisenden gehört. Nicht ohne eine dicke Warnung vor den blauen Flecken, die unweigerlich damit einhergehen.
Die Aussicht auf blaue Flecken schreckt uns beide ab. Zumindest von oben will ich mir diese Elefantenrutsche dann doch einmal anschauen und Steffi und ich klettern über große Steine bis zu ihrem Rand hinauf. Während ich oben an der Querseite der Rinne stehe und sie betrachte denke ich noch: Nein, die blauen Flecken spare ich mir in jedem Fall. In dem Moment sagt Steffi etwas hinter mir, ich drehe mich um und… rutsche auf dem nassen Stein auf dem ich stehe aus.
Ich lande auf dem Po und schlittere mit vollem Karacho die zehn Meter lange Bahn hinab. Ein Knäul aus Armen und Beinen, dass sich seinen Weg nach unten bahnt und unsanft im flachen Becken landet. Doch Gottseidank spielt sich das alles nur in meinem Kopf ab. In der Realität kann ich mich geistesgegenwärtig mit den Füßen noch gegen die Steine stützen und mit den Händen auffangen. So lande ich zwar unsanft auf der Seite, aber immerhin nicht unten an der Rutsche im Pool. Das also heißt “Slippery when wet” denke ich, während ich mich wieder aufrappele und muss mich kurz innerlich selbst auslachen: Der Plan, die blauen Flecken zu vermeiden ist dann wohl nicht aufgegangen. Immerhin bin ich mit einem Schrecken davon gekommen.
Der weitere Weg verläuft angenehm unspektakulär: Nur ein paar Kilometer weiter taucht die Anchorage Bay zwischen den grünen Bäumen auf. Dort angekommen, nutzen wir die Wartezeit bis zum Taxi noch für ein zweites Bad heute. Und auch wenn der Weg selber diesmal nicht außergewöhnlich anstrengend war: Das Bier am Ende des Tages hab ich mir auf den Schrecken doppelt verdient.
Liebe Grüße winkt vom anderen Ende der Welt aus mit schmerzendem Arm
Eure Marie